Dieser Tage war ich mal wieder in den Niederlanden. Wozu fährt man als Nordrheinwestfale dorthin? Entweder zum Shoppen im Designer Outlet Center in Roermond, zum Einkaufen in einem der großen Albert Hejn-Supermärkte oder für einen Tag am Meer.
So sollte es dieses Mal also das Meer sein – aber anders als sonst. Ganz anders! Freunde wollten zu einer bestimmten Stelle auf einem Inselchen fahren, von dem sie gehört hatten, es wäre reich an Austern. Also packten wir Schraubenzieher, Hammer, Gummistiefel und -handschuhe sowie einen voll ausgestatteten Grill ein und um 7 Uhr ging’s los. An einem Wochenende!
Wenn man auf Austernjagd geht, muss man Ebbe und Flut mit bedenken (auch wenn es keine großen Unterschiede sind, so geht das Wasser bei „Ebbe“ doch ein Stück zurück). Pünktlich zum Niedrigwasser erreichten wir den steinigen Meeresarm und während ich nur herumstand und zuschaute, warfen meine eifrigen Fischersfreunde an Kordeln befestigte Fleischstücke ins blicktiefe Wasser.
Zunächst war es aber spannend, zu sehen, wie Erwachsene Menschen plötzlich mit geradezu kindlichem Eifer Schraubenzieher und Hämmerchen zückten und sich zwischen den Steinen im seichten Wasser an die Arbeit machten. Ein bisschen Hauen hier, ein paar mal Stoßen da, schon ist eine Auster abgelöst. Ab zur nächsten. Innerhalb kurzer Zeit füllten sich auf diese Art Bottiche, Eimer und Tüten mit Dutzenden von Austern. Plötzlich dann Aufregung an den Kordeln: Eine Krabbe hatte angebissen! Die Schalentiere mochten unser Fleisch wie Motten das Licht. Und so konnten wir mit vereinten Kräften und einem Köcher viele mittlerer und großer Krebse in einem Eimer sammeln. Die kleinen warfen wir zurück ins Meer – sie sollten gerne das Fleisch essen und in ein paar Wochen andere Fischer erfreuen.
Während die anderen sammelten, machte ich mich an den Grill. Trotz dem in den Niederlanden obligatorischen Wind und sogar einem kurzen Regenguss glühten die Kohlen nach einer Weile weiß und rot. Und dann? Die Austern wurden in ihrer Schale auf den Rost gelegt. Andere wiederum wurden aus ihrem Haus geholt, mit einer Soße aus Gewürzen und starkem Alkohol vermischt und ebenfalls gegrillt. Die ganz Mutigen aßen die Austern sogar roh aus der Schale (während ich als Nicht-Fischesser mir ein paar Bratwürstchen machte).
Während des Essens konnten wir mehr und mehr Krebse fangen. Die würden allerdings nicht auf dem Grill bleiben und mussten deshalb später verschenkt werden. Denn wir waren nicht die einzigen Sammler, nein, mehrere andere Familien sammelten ebenfalls und man half sich gegenseitig mit Köcher und Brotstückchen für eine Angel aus.
Während wir am Grill saßen, hatte ich Zeit für ein kleines Gedankenspiel: Die Austern leben und wachsen auf den Steinen, denken an nichts Böses, bis dann plötzlich ein Hammer kommt und sie abschlägt. Ehe sie es sich versehen, liegen sie auf dem Grill oder in einer Transportbox. Der Mensch als „höheres Wesen“ beschließt über ihr weiteres Schicksal. Was, wenn uns Menschen das eines Tages genau so ergeht? Wenn wir eigentlich nur naive Lebewesen auf einer riesigen „Austernfarm“ sind und irgendwann der Zeitpunkt der Ernte gekommen ist?
Aber zurück in diese Welt. Auch wenn das der mit Abstand schrägste Ort ist, an dem ich je gegrillt habe, und auch wenn das der untypischste Besuch in den Niederlanden war, den ich je unternommen habe: Es hat Spaß gemacht. Zu versuchen, die Krebse zu fangen, das Leuchten in den Augen der erwachsenen Kinder zu sehen und natürlich das Grillen selbst. Ein Tag Urlaub.