Gedankenspiel: Corona-Pandemie in den 90ern

Darf man schon wieder freiwillig über Viren nachdenken oder setzt bei dem Wort sofort gedankliches Augenrollen ein? Naja, wer bis hier gelesen hat, hält vielleicht auch weiter durch. Ich frage mich jedenfalls, wie ich die Pandemie als Jugendlicher in den frühen 90ern wohl erlebt hätte.

Zur Erinnerung: Damals gab es noch kein Facebook, kein Reddit, kein Mastodon, auch Mobiltelefone waren noch nicht verbreitet. Und die waren außerdem unglaublich teuer. Wie unterhielten wir uns damals dann überhaupt? Richtig, wir telefonierten kurz, denn das kostete schließlich auch pro Minute. Dabei besprachen wir das nächste Treffen. Ohne weitere Absprachen fanden sich dann alle Parteien zum vereinbarten Zeitpunkt am Ort des Geschehens ein. Man kann es kaum glauben, aber aus irgendwelchen Gründen funktionierte das meist problemlos. Was machte man eigentlich, wenn jemand im Stau fest steckte oder sich aus anderen Gründen massiv verspätete? Ich glaube, man rief bei irgendwem in der Nähe an.

In der Schule

Jedenfalls hätten wir von der Pandemie natürlich über die 20 Uhr-Nachrichten erfahren und über den Tratsch in der Schule. Die aktuellen Inzidenzen gäbe es einmal am Tag aus der Zeitung, bei Bedarf vielleicht auch häufiger im Radio oder im Fernsehen. Ob wohl ein eigener Radiosender dafür eingerichtet worden wäre? Tja, und dann hätte natürlich eine Art „Homeschooling“ stattgefunden. Wobei das Ding sicher einen anderen Namen gehabt hätte. Ich befürchte, dass wir die aktuellen Aufgaben per Fax bekommen hätten (zum Fax habe ich früher schon etwas geschrieben). Oder hätte es unterlagen per Post gegeben?

In Ermangelung von Online-Konferenzsystemen hätte das Lernen komplett in Einzelregie stattfinden müssen. Das ist ein Zustand, der meinem Eindruck nach auch in der echten Pandemie nicht nur vereinzelt so bestand. Schade eigentlich, dass es keinen großen Unterschied zu der ausgedachten Pandemie in den 90ern gibt. Denn beide Male gilt, dass Kinder einfach Pech oder Glück mit der Anstellung ihrer Eltern haben können. Manche können helfen, weil sie die Zeit dafür haben, andere nicht. Vielleicht wissen sie auch nicht, wie sie ihren Kindern den Stoff beibringen sollen. Klar, Eltern haben ja auch keine Lehrausbildung.

Im Privaten

Und wie wäre das mit dem Spielen gewesen? Denn ja, damals ging man noch vor die Tür und traf Freund:innen im Dorf „zum Spielen“. Wir spielten häufiger Brennball bei uns im Wendehammer, oder kraxelten auf die Bäume im Garten oder bei den Nachbarn. Kindern Abstandsregeln beizubringen, stelle ich mir schwer bis nahezu unmöglich vor. Also wären sicherlich auch diese Verabredungen erst einmal ausgefallen.

Mit etwas Glück hätte ich aber wenigstens meinen damals sehnlichsten Wunsch erfüllt bekommen: einen Gameboy. Wir hätten uns sicher noch mehr mit uns selbst beschäftigt. Mit der Familie spielen, im Haushalt aktiv sein, vielleicht ein Haustier anschaffen oder Modellbau. Selbst der Fernseher wäre irgendwann einmal „leer geschaut“, wie es damals immer hieß. Netflix wurde ja auch erst Ende der 90er erfunden.

Fazit

Ich stelle mir das Leben in einer zweijährigen Pandemie in den 1990ern vor allem einsam vor. Und zwar noch einsamer als in dieser Pandemie in den 2020ern. Denn selbst wenn wir alle Zoom & Co. vielleicht heute nicht mehr sehen können: wir haben Glück, dass es das Internet mit den Möglichkeiten zum Austausch bereits gibt. Selbst wenn das vielerorts auch heutzutage nicht so funktioniert wie es sollte, das ist immer noch besser als nichts. (Okay, außer, es ist wirklich nichts.)

Ein düsteres Gedankenspiel. Das hatte ich gar nicht erwartet!


Bild von congerdesign auf Pixabay

2 Kommentare

  1. Wahrscheinlich wäre der Informationsfluss so langsam gewesen, dass viel, viel mehr Menschen gestorben wären.
    Auch die Entwicklung der Impfstoffe und die Erforschung des Virus hätten viel, viel länger gedauert.

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert