Unter „Was machst du eigentlich den ganzen Tag“, kurz #wmdedgt, versammeln sich die Tagebuchbloggenden an jedem 5. eines Monats und berichten vom Tag. Initiiert wurde das von Frau Brüllen.
Die Nacht verbringe ich größtenteils „am Lagerfeuer“, denn jemand in den nahen Gartenanlagen hielt es gestern für eine gute Idee, spät abends Grünzeug zu verbrennen. Der Rauch hält sich gut in der Wohnung, alles riecht nach Zeltfreizeit in der Grundschule, und weil das Feuer lange brennt und der Wind ungünstig steht, kann ich vor dem Schlafen nicht lüften. Um vier Uhr stehe ich auf, öffne das Fenster und bemerke die ersten Kopfschmerzen.
Das Weckerradio beginnt den Tag erbarmungslos gegen halb sieben. Ich bin für diese Welt noch nicht bereit und döse bei den Nachrichten und tagesaktuellen Berichten vor mich hin. Ich mag es eigentlich nicht, mit Updates zum schleichenden Weltuntergang so geweckt zu werden, aber das Ding kann ansonsten nur komisches Piepsen und künstliches Vogelgezwitscher im zehn Sekunden-Loop von sich geben, was mich mindestens genauso aufregt wie größenwahnsinnige Milliardäre.
Irgendwann schäle ich mich grummelnd aus dem Bett und beginne die Morgenroutine. Heute arbeite ich von zu Hause und bin genervt davon, dass ich eine Chance auf frühen Arbeitsbeginn und damit ein frühes Arbeitsende ohne Minusstunden vertan habe. Im Podcast läuft eine Folge von „IQ – Wissenschaft und Forschung“, heute über Viagra. Die Folge startet damit, dass sowohl der Redakteur als auch der erste interviewte Arzt betonen, selbst keine Erfahrungen mit der gar nicht so wunderlichen Wunderpille zu haben und ich verdrehe beim Zähneputzen die Augen. Die ersten Minuten klingen wie eine Anleitung, wie das Thema Erektionsstörungen weiterhin stigmatisiert werden kann. Als es irgendwann augenzwinkernd heißt, einer der Fachleute arbeite in einem Krankenhaus mit Namen „Maria Hilf“, muss ich unter der Dusche aber doch grinsen.
Brot ist aus, also gibt es Aufbackbrötchen, ein Luxus, den ich sonst eher dem Wochenende oder Feiertagen vorbehalte. Seit der Supermarkt hier im Dörfchen ersatzlos geschlossen hat, ist meine Einkaufsroutine gestört und ich bin schon wieder genervt, außerdem habe ich Kopfschmerzen und einen arg verspannten Rücken.
Dieser Tag hat eindeutig Entfaltungsmöglichkeiten: Im Kopf, in den Faszien, in der Laune. Laut Aussage der modernen Technik habe ich überdurchschnittlich gut geschlafen, aber ich fühle mich ganzkörperlich zerknittert, innen wie außen, so als müsse man mich erst einmal aufblasen wie einen faltigen Luftballon.
Immerhin: Homeoffice. Während Computer und Software starten, schlürfe ich Kaffee und esse die Brötchen. Dinkelbrötchen, um genau zu sein, die sollen ja gesünder sein als ihre Geschwister aus Weizen, vor allem aber sind sie etwas bitterer. Wenn die Marmeladenschicht dick genug ist, merkt man das aber fast nicht.
Mir fällt ein, dass heute früh ein technischer Test auf meiner Liste steht, und mir graust es vor dem Ergebnis. Ich zögere den Test hinaus, indem ich zuerst neu angekommene Anfragen beantworte. Wieso sind manche Leute eigentlich so pampig? Denen müsste man mal genauso unfreundlich antworten, mache ich natürlich nicht. Ich schreibe lieber ironisch „vielen Dank für Ihre freundliche Nachricht“, obwohl das, was die verfasst haben, nicht freundlich ist und oftmals auch nicht einmal mehr als Nachricht durchgehen kann. In aller Regel muss ich zurück fragen, was sie mit ihrer einsilbigen E-Mail überhaupt von mir wollen.
Irgendwann sind die Mails abgearbeitet (die meisten waren freundlich) und ich kann mich nicht mehr drücken. Wie erwartet fällt der Test schlecht aus und das bedeutet, dass ich den Fehler nicht allein lösen kann sondern auf externe Hilfe angewiesen bin. Mit der Gegenstelle bin ich seit einer Woche deswegen in Kontakt. Dieser gestaltet sich in diesen Fällen immer außerordentlich langwierig und ist mit Ausflüchten gespickt, „da läuft bei euch was falsch, ich habe hier alles gecheckt, meine Programmierung hat keinen Fehler“, und nach wochenlangem Hin und Her wird dann doch ein Fehler entdeckt. Kein Wunder, das Problem tritt ja auch erst auf, seit eben diese Programmierung geändert wurde. Kaugummizäh ist das. Ich wünschte, ich hätte Leserechte im Programmiercode, dann könnte ich zumindest versuchen, das Problem selbst zu finden, auch wenn ich Laie bin. So muss ich am Telefon mit Tipps im Nebel stochern und bin überrascht, wie oft ich richtig liege, obwohl ich viele der Fachbegriffe noch nie gehört habe.
So verbringe ich den Vormittag, immerhin stellt sich heraus, dass das Problem weit größer ist als angenommen – und damit sogar noch größer, als ich es seit einer Woche voraussage. Naja, man freut sich ja irgendwann über jeden Schritt vorwärts. Ich muss dabei an ein Erlebnis beim Zahnarzt vor vielen Jahren denken: Ich hatte starke Schmerzen und wurde zwei Tage in Folge wieder weggeschickt mit den Worten „da ist nichts, das muss von alleine weggehen“. Nach zwei durchwachten Nächten hatte der Arzt ein Erbarmen, machte ein Röntgenbild und entdeckte eine große Entzündung unter einer Füllung. Ich wechselte den Zahnarzt und der neue hatte dann viel zu tun und die Behebung zog sich lange hin, genau wie diese Fehlersuche auch noch Tage oder gar Wochen dauern wird, hoffentlich keine Monate. Fazit: Hört einfach auf die, die unter dem Problem leiden, sie können es obendrein auch am besten beschreiben.
Während der donnerstäglichen Besprechung stelle ich fest, dass die Schal- und Rollkragendichte zunimmt. Sehr schön, auch in Sachen Herbsteintritt freut man sich ja über jeden noch so kleinen Schritt vorwärts. Später, ich frage mich gerade, ob man durch Schlafen in lagerfeuerverrauchten Zimmern eigentlich eine Rauchvergiftung bekommen kann, meldet sich eine neue Kollegin und bedankt sich einfach so für meine (völlig unbedeutende) Hilfe in den letzten Tagen. Ach, das freut mich jetzt, kommt genau zum richtigen Zeitpunkt.
Mittags gibt es aufgewärmte Currysuppe, ein warmes Kirschkernkissen im Nacken und einen frischen Kaffee. Alles tut sehr gut. Trotzdem: Manchmal gibt es Tage, die einfach weg können, und das hier scheint so einer zu sein, tut mir leid für die, die das jetzt lesen, wir müssen da gemeinsam durch, es ist schließlich WMDEDGT.
Später dudelt gemütliche Musik und ich tippe an einer Bedienungsanleitung. Ich mag diese Arbeit, ist fast wie bloggen, nur mit mehr Screenshots. Mir geht dabei einmal mehr auf, wie viel angenehmer das Arbeiten von zuhause ist: Weniger Störungen, besserer Kaffee, es gibt Kirschkernkissen und nach der Arbeit kann ich einfach aufs Sofa nebenan plumpsen. Ganz abgesehen von der gesparten Pendelei.
Ich mache früh Schluss und falle tatsächlich kurz aufs Sofa. Mein Rücken ist immer noch garstig, da geben wir uns nichts, aber auch etwas Waagerechte besänftigt ihn nicht.
Danach muss ich zu einer Ärztin und fühle mich weiter usselig. Auf dem Rückweg überwinde ich mich, kurz einkaufen zu gehen und nehme keinen Einkaufswagen, um weniger Zeug zu kaufen. Natürlich schleppe ich danach schnaufend zwei volle Einkaufstüten zum Auto und frage mich, weshalb ich in manchen Belangen so lernresistent bin. Auf der Rückfahrt höre ich einige Podcasts mit Buchbesprechungen und notiere mir einen Krimi für später. Außerdem höre ich den Podcast „In trockenen Büchern“, diesmal über Humor. Ich mag die philosophische Betrachtungsweise und muss bei einem der Witze viel zu lange nachdenken, was ich sehr lustig finde. Diesen hier verstehe ich sofort: Was macht der Clown im Büro? – Faxen.
Zurück zu Hause beschließe ich, dass der Tag für mich jetzt endet. Ich fühle mich zunehmend elend, flau geradezu, mein Rücken brennt an allen Stellen. Ich gehe ins Bett, komme aber nicht zur Ruhe und döse im Halbschlaf mit einem Ohrwurm. Das nervt mich, also scrolle ich durch TikTok und auch das nervt.
Nach dem Abendessen gibt es Tee mit Honig, um den Herbst Willkommen zu heißen und weil das einfach lecker schmeckt.
In mir drin war heute alles viel anstrengender als es eigentlich hätte sein müssen, der Tag und ich haben wohl gegeneinander gearbeitet und jetzt kann er wie gesagt dann auch weg. Gute Nacht.