Beim Spielen über das Leben nachgedacht

Heutzutage sind Spiele so konstruiert, dass die Stunden vorbei ziehen, ohne dass man es merkt. Bei Diablo beispielsweise ist das zwar einerseits anstrengend, weil man ständig reagieren und konzentriert sein muss, aber seltsamerweise stellt sich manchmal gleichzeitig eine gewisse Ruhe ein, in der die Gedanken wandern können – Flow eben.

Ich habe gerade einen Charakter mit Elektro-Fähigkeiten, er schießt also Blitze aus dem Zauberstab. Das ist ein sehr schneller Build, die Blitze flitzen nur so über den Bildschirm und erreichen auch die computergenerierten Gegner, die manchmal noch gar nicht zu sehen sind. Oftmals sterben sie auch, bevor ich mich ihnen überhaupt zuwenden kann, weil die Blitze sich selbstständig ihr nächstes Ziel suchen und gleichzeitig sehr hohe Schadenswerte aufweisen.

So geschah es neulich, dass ein mittelstarker Gegner am Bildschirmrand völlig außerhalb jeglicher Aufmerksamkeit und auch ohne relevanten Belang für den Spielfortschritt sein Leben aushauchte, und auch diesmal hatte mein Charakter ihn dabei nicht einmal angeschaut. Vielleicht ein trauriges Ende, in jedem Fall aber eine völlig irrelevante Existenz dieses Wesens.

Und da musste ich an mich selbst auf diesem Planeten denken. Wenn ich eines fernen Tages ebenfalls das Zeitliche segne, wird meine Existenz völlig geräuschlos enden und ebenso wie bei diesem Gegner keine Relevanz für den Fortgang der Menschheit gehabt haben. Ich werde aller Wahrscheinlichkeit nach keine maßgebliche Änderung eines wichtigen Themas angestoßen und auch keine neue Idee entwickelt haben, die die Welt irgendwie weiter bringt oder in eine neue Richtung steuert.

Das könnte mich traurig stimmen, tut es aber nicht. Früher, da vielleicht, aber mit den Jahren ist das nicht mehr wichtig. Okay, auch heute wünsche ich mir manchmal, irgendwann ein Buch zu schreiben, das noch Generationen nach mir lesen werden. Aber dass das unrealistisch ist, weiß ich selbst (obendrein schaffen das in der Regel nur die Menschen, die im Gegensatz zu mir zumindest mal Bücher schreiben).

Also, bleibt wirklich nichts? Ich glaube nach etwas Nachdenken, das stimmt nicht. Anders als die von ihrer Sippe entkoppelte Spielfigur gehöre ich einer Gesellschaft an und habe, ob ich das nun will oder nicht, einen Einfluss auf sie. Durch die Teilnahme und sogar durch die Nichtteilnahme am gesellschaftlichen Leben beeinflusse ich sie auf eine gewisse Weise. Durch Kontakt zu anderen Menschen, seien es Kollegen, Freunde, Familie, Nachbarn oder der Kassierer im Supermarkt, gestalte ich diese Gesellschaft mit. Durch einen Satz, den eine Person zum Nachdenken bringt, eine Geste, die nachhallt oder einen Wesenszug, den andere sich als gutes oder als schlechtes Beispiel merken.

Also bleibt von jedem Menschen dann eben doch ein ganz klein wenig erhalten, wenn auch meist nur ein winziger Fußabdruck im großen Ganzen. Und um genau zu sein: Auch dieser Gegner im Spiel hinterließ etwas, nämlich XP, Erfahrungspunkte, die mich schneller hochleveln und stärker werden ließen. Wenig, aber immerhin etwas, und damit schlussendlich doch wie im wirklichen Leben.

Jetzt aber zurück an den Controller.

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