Bücher online ausleihen

Neulich war ich in der Bonner Innenstadt zum Bummeln, kam an der Stadtbibliothek vorbei und nutzte den Moment für eine Anmeldung. Schon mehrfach las ich auf Mastodon, dass die Bibliotheken dieses Landes inzwischen auch bei der Online-Ausleihe ganz gut aufgestellt seien.

Zuerst: offline registrieren

Der Anmeldeprozess war überraschend zeitaufwendig, ich bekam einige Zettelchen und Flyer, danach wurden mir sowohl die Web-Suchseite samt Reservierungsfunktion demonstriert als auch die Bibliothek selbst gezeigt. Dass die Leute sich hier so viel Zeit für einen einzigen Kunden nehmen, überraschte mich. Ob das an der fehlenden Gewinnabsicht liegt? Vielleicht war das sogar in Geschäften früher immer so, als KPIs noch nicht erfunden waren? Ein Traum!

Nachdem ich gelernt hatte, wie ich Papierbücher ausleihe und zurückgebe, Medien mit CD öffne und schließe und die Jahresgebühr (!) von 30 Euro entrichtet war, durfte ich die Bibliothek auf eigene Faust erkunden. Die Räume sind vor einigen Jahren neu gestaltet worden und ich könnte mir vorstellen, einfach nur hier zu sitzen und dem gedämpften Treiben zuzuschauen.

Überhaupt: Bibliotheken!

Direkt gegenüber der Kathedrale Notre-Dame im nordfranzösischen Städtchen Reims befindet sich die örtliche Bibliothek. Das Gebäude hat eine Glasfassade mit hervorragender Sicht auf die Kirche, im ersten Stock ist ein (mit Blick auf die Quadratmeterpreise) geradezu obszön großer Bereich mit Sesseln und Sitzecken ausgestattet. Der Teppichboden, die vielen Bücher und die weichen Sitzgelegenheiten dämpfen die Geräusche zu einem angenehmen Murmeln, die Aussicht trägt das Ihrige dazu bei. Dieser Ort regt so intensiv zum Lesen und Lernen an, dass ich fast soweit war, wahllos ein Buch aus einem der Regale zu ziehen und darin herum zu blättern.

Die Bonner Bibliothek kann nicht mit solch einer Aussicht punkten, ich habe auch keinen verschwenderisch großen Leseraum gesehen, sondern nur lange Tische mit Lese- und Arbeitsmöglichkeiten. Aber: diese Tische waren fast komplett besetzt. Viele der hauptsächlich jungen Leute arbeiteten, manche gemeinsam, an Laptops und mit Papieren um sie verstreut. Durch den teilweise sehr hohen Raum mit warmer Holzoptik entsteht auch hier ein Gefühl der ruhigen und konzentrierten Wissensaneignung – und die muss nicht immer für den nächsten Physikkurs sein. Man kann da auch einfach den nächsten Fantasyroman lesen. Mir gefiel das alles sehr gut.

Und die eBooks?

Da fragt man sich natürlich: was davon geht denn online? Holzoptik habe ich daheim schließlich auch. Zurück zuhause meldete ich mich im Onlineportal an, änderte wie eingebläut zuerst mein Passwort und machte mich daran, durchs Angebot zu stöbern. Ein Benutzerkonto bei der Bibliothek beinhaltet, soweit ich bisher gesehen habe, über die Jahresgebühr hinaus komplett kostenlosen Zugriff auf folgende Onlineservices:

  • Die Film-Streamingplattform Filmfriend.de
  • Eine Reihe Magazine und Tages-/Wochenzeitungen
  • Den Hörbuch-Katalog
  • Den eBook-Katalog

eBooks interessieren mich am meisten. Zwei deprimierende Zahlen: Während es laut einer Pressemitteilung zum Welttag des Buches am 23. April in der Bonner Bibliothek 330.000 Papierbücher gibt, werden nur etwas über 14.300 eBooks bereitgestellt. Und: Jedes eBook kann zu einem bestimmten Zeitpunkt nur ein einziges Mal ausgeliehen werden – wie ein Papierbuch auch. Es ist natürlich wichtig, bei dem Thema nicht den gleichen Fehler wie beim Musikstreaming zu machen und eine angemessene Künstler:innenvergütung zu vergessen, aber per künstlicher Verknappung nur ein Exemplar jedes eBooks bereitzustellen, ist bei digitalen Medien einfach lächerlich. Der Grund für das Problem liegt jedoch nicht bei der Bonner Bibliothek, sondern, wie ich vermute, bei unmoralischen Mächten in der Branche.

Naja: auch 14.000 Bücher werde ich niemals lesen können. Ich loggte mich also in der „Onleihe“-App auf dem Smartphone ein und konnte sofort Bücher oder Audios entweder im Web oder direkt in der App leihen und loslegen. Die App wurde ewig nicht aktualisiert und ist voller Bugs, aber es geht irgendwie. Bei zurzeit ausgeliehenen Werken kann man sich auf die Warteliste setzen oder hinter den anderen Wartenden einreihen. Es ist alles denkbar einfach geregelt.

Und was soll ich sagen: Nach einer Woche habe ich zwei Bücher und ein 17-stündiges Hörbuch beendet und zwei neue Bücher angefangen. Die Jahresgebühr habe ich also jetzt schon wieder raus.

Fazit

Das digitale Angebot ist vergleichsweise klein, aber trotzdem schon riesig. Bei neuen oder beliebten Büchern kommt man um die Warteliste zwar nicht herum. Wer sich aber auf ältere Werke fokussiert oder vollends treiben lässt und in der App nach aktuell verfügbaren Titeln filtert, wird auf jeden Fall etwas Spannendes finden, das sich sofort lesen oder hören lässt.

Bei vereinzelten Streifzügen durch die digitalen Regale finde ich ständig neue Bücher für die Wunschliste, so dass diese um ein Vielfaches schneller wächst als ich sie abarbeiten kann. Ein wunderbares Problem!

5 Kommentare

  1. Ich bin da wohl ein seltenes Relikt. Ich habe noch nie ein digitales Buch gelesen. Ich brauche die Haptik des Buches, das Umblättern, den Geruch …Magie <3

    1. Das Papierrascheln und die Haptik vermisse ich auch. Für mich überwiegen aber die Einfachheit im Handling, das geringe Gewicht, das gut beleuchtete Display, das theoretisch unbegrenzt große Bücherregal und die Anzeige, wie lange ich für das aktuelle Kapitel noch brauche („eins noch vor dem Schlafen?“).

      Aber da sind die Geschmäcker verschieden und dass Papierbücher komplett abgeschafft werden, werden wir zum Glück nicht mehr erleben! Hoffe ich jedenfalls.

      1. Hat definitiv Vorteile. Ich könnte mit meinen Augen auch viel besser lesen auf einem digitalen Gerät als im Buch. Aber ich kann mir auch keinen Reader leisten. Von daher mache ich mir da keine Gedanken drüber.

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