Ich glaube, ich habe die Antwort gefunden, muss dafür aber etwas ausholen.
The Witcher 3
The Witcher 3: Wild Hunt ist ein Rollenspiel in einer offenen Welt. Mit dem Controller in der Hand werde ich zu Geralt von Riva, einem Hexer und Monsterjäger. Geralt ist standardmäßig schlecht gelaunt und grummelig, reitet auf seinem Pferd Plötze durch die Lande und kämpft gegen Bösewichte, erlegt furchterregende Wesen und rettet nebenbei die Welt. Er ist stark, kann sich für brenzlige Situationen einen extra Powerdrink reinziehen und beherrscht die eine oder andere Zauberformel zur Unterstützung im Kampf. Zur Heilung gibt’s, klar, einen weiteren Trank, gebraut aus den Pflanzen im Wald. In diesem Clip ziemlich vom Anfang des Spiels bewundert Geralt einen fitten Dorfbewohner, im Hintergrund ein paar Häuschen.
Vom Setting her befinden wir uns also in einer mittelalterlich wirkenden Welt. Es gibt Wald, Holzhütten und Pferde, außerdem Schänken, finstere Gestalten und natürlich böse Mächte, gegen die nur Monsterjäger wie Geralt und seine Buddys etwas ausrichten können.
Das Spiel wurde 2015 von „CD Projekt RED“ veröffentlicht, es hatte und hat bis heute viele Fans, die, mich eingeschlossen, vorfreudig auf einen Nachfolger warten.

The Witcher gefällt mir wegen der offenen Welt, wegen einer Art von Freiheit, aber auch wegen der Geschichte, den gut geschriebenen Haupt- und Nebencharakteren und natürlich wegen des guten Gameplays.
Cyberpunk 2077
Cyberpunk wurde ebenfalls von „CD Projekt RED“ veröffentlicht und ist auch ein Rollenspiel in einer offenen Welt. Statt im Mittelalter befinden wir uns jetzt, wie man am Titel unschwer erkennen kann, im Jahr 2077, außerdem in einem dystopischen Szenario. Das Spiel findet in und um „Night City“ statt, das sich wohl irgendwo im US-amerikanischen Nichts befindet, vielleicht in der Nähe von Las Vegas.
Bei der Charaktererstellung zu Beginn des Spiels hat man die Wahl zwischen allerlei körperlichen Merkmalen und dem Aussehen, auch gibt es verschiedene Optionen zur Herkunft der Hauptperson, was einen leicht anderen Spielverlauf zur Folge hat. Der Charakter heißt immer V (auf Englisch ausgesprochen, also wie das deutsche „wie“). Das ist schlau, weil die Audio-Vertonung der anderen Charaktere damit für alle Geschlechter funktioniert.

Mein V ist ein Söldner aus der Unterklasse. Er übernimmt Jobs, bei denen er Dinge klauen, Menschen ausspionieren oder töten muss und bei denen ständig etwas schief gehen kann. Er kennt die Stadt wie kein anderer und hat für „die Konzerner“ nichts übrig.
Konzerner, das sind die Leute, die die Politiker schmieren, dadurch die Stadt regieren und die fürchterlich reich sind. Danach kommt eine ganze Weile nichts, und am Ende der Fahnenstange stehen die armen Einwohner der Stadt, die, so jedenfalls der Eindruck, sämtlich in illegale Machenschaften verstrickt und/oder synthetischen Drogen verfallen sind.

Night City glänzt an vielen Stellen oder leuchtet grell, sieht so künstlich aus, wie man sich etwas mit dem Namen „Cyberpunk“ vorstellt, und überall, wirklich überall liegt Müll herum. Außerhalb der Stadt gibt es eine Quadratkilometer große Müllhalde, was sag ich, eher ein Müllgebiet.
Man bekommt den Eindruck, die Menschen, die Stadt und die gesamte Welt sind ständig ganz kurz vor dem Kollaps. Wie runtergekommen alles ist, zeigt diese kleine Tour durch ein Hotelzimmer, in das ich für einen Auftrag musste. Es ist nicht so, als hätte ich darin irgendetwas angestellt – in genau diesem Zustand wurde es vermietet.
In den Nachrichten geht es um Aus- und Einwanderungen in anderen Ländern, ausgestorbene und mit moderner Technik wiederbelebte Tierarten, außerdem werden Warnungen ausgesprochen: Man solle sich bitte nicht mit unbekannten Terminals verlinken.
Zu den Terminals: Jeder Mensch hat so ein kleines Kabel am Körper – das von V steckt im Unterarm und kann wie beim Staubsaugerkabel herausgezogen und wieder eingefahren werden – mit dem man sich an allerlei Buchsen anschließen kann. Über diese Terminals werden Daten herunter- oder hochgeladen und manchmal leider auch Viren verteilt.

Bei in den Körper eingelassenen Kabeln gehen die Anpassungen aber erst los: Wer über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, kann sich den kompletten Körper verchromen, wie es im Spiel heißt. Menschen haben künstliche Arme, Beine, Augen, Wirbelsäulen, alles. Diese künstlichen Geräte machen ihre Eigentümer stärker, ausdauernder, schöner, jünger gesünder und sie helfen natürlich auch im Kampf. Mein V hatte bald einen kleinen Raketenwerfer im Unterarm, klar, warum auch nicht.

Man sieht schon: Das dystopische Setting ist insgesamt wenig einladend. Warum sollte man sich freiwillig in diese Welt begeben?
Gemeinsamkeiten
Cyberpunk und The Witcher sind sich zunächst in Wenigem ähnlich. Ich fremdelte beim ersten Anspielen von Cyberpunk auch ordentlich, weil alles metallen ist, sogar die Musik. Reitet man nicht lieber durch die Wälder, genauso wie auch in Red Dead Redemption 2?
Aber dann stellte ich fest: Diese Welt hat so viel zu bieten. Während in The Witcher hinter jedem Baum kleine und größere Bösewichten wie Waldschrate und Ertrunkene auf mich warten, bietet Cyberpunk an jeder Ecke Mini-Geschichten und Rätsel. Beide Spiele haben außerdem eine sehr gut ausgearbeitete Story. Das Wachsen an den Aufgaben fühlt sich ebenfalls gleich gut an: Belohnungen und Charakterverbesserungen sind richtig was wert und ändern die Art und Weise, wie man das Spiel spielen kann.
In beiden Spielen gibt es verschiedene Herangehensweisen an eine Aufgabe: Heimliches Vorgehen, also schleichen und ducken, oder mit voller Schwerter- und Schusskraft losstürmen und möglichst viel kaputt machen. Während einige der Aufgaben eine Herangehensweise voraussetzen, ist es oft mir überlassen, wie ich vorgehe.
Es macht Spaß, einmal die anstehenden Aufgaben zu ignorieren und zu gucken, wie die Welt auf mich reagiert. Es ist zum Beispiel möglich, für Sex zu bezahlen. Hier gönnt sich V eine Auszeit (ich musste vor dem Bezahlen im Pause-Bildschirm erstmal checken, ob ich genug Geld habe):
Mir wurde also klar, dass die Spiele, wenn sie auch in vollkommen anderen Universen spielen, sich in den grundlegenden Logiken einigermaßen ähnlich sind. Kein Wunder, sie sind ja vom gleichen Hersteller.
Und auch die verchromte, glänzende, dreckige Welt von Cyberpunk hat was für sich: Dadurch nimmt man die Momente, in denen Herzlichkeit, Freundschaft und Liebe deutlich werden, viel stärker wahr. Eine Szene, die Zusammenhalt zeigt – danach ging der Spaß natürlich erst richtig los.
Am Ende geht es also immer um Machtphantasien, darum, stärker zu werden, das Böse zu bekämpfen und eine angenehme Geschichte zu erleben. Und das bieten tatsächlich beide Spiele gleichermaßen. Ich habe darum gelernt, dass das Gesicht des Spiels mir weniger wichtig ist als dessen Inhalt.

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