Ans Schreiben der Jahreszahl 2024 habe ich mich ziemlich schnell gewöhnt, fällt mir auf, nachdem ich den Beitragstitel getippt habe. Die 2023 rutscht mir nur noch selten heraus.
In den vergangenen Monaten geschah etwas Verwunderliches mit mir: Ich, bislang passionierter Autofahrer, würde selbst mit zehn Millionen Euro auf dem Konto kein teures Luxusauto mehr kaufen, sondern ein kleines, praktisches. Und ich stellte fest, dass ich gerne mehr Bus fahren würde. Von ganz allein. Das kann doch nicht nur durch die gelegentliche Lektüre der taz induziert sein?!
Thematisch (un)passend dazu schauten wir dieser Tage neue Autos an; wenn auch nicht für mich. Da stand ein Wagen auf dem Verkaufsgelände, dessen grüner Lack im Vorbeigehen leicht ins Bläuliche hinüberschimmerte. Sich verändernde Lackfarben kennt man ja. Es erstaunte mich aber über die Maßen, dass der Wagen auf sämtlichen Smartphonefotos in sattem Blau mit ganz leichtem Grünstich leuchtete, was halt überhaupt nicht stimmte. Spannend.
Seit geraumer Zeit nervt mich Bargeld. Genauer gesagt der Moment, in dem ich mit Kreditkarte zahlen möchte und das nicht geht. Ich muss dann – meist hektisch, weil in einer Kassenschlange – nach den anderen Bezahlmethoden suchen, die sich irgendwo in meinem Rucksack verstecken. Die Situation wird paradoxerweise mit zunehmender Kartenakzeptanz immer blöder. Inzwischen hole ich die Geldbörse im Supermarkt nur noch für den Einkaufswagenchip hervor – übrigens eine ähnlich bescheuerte Angelegenheit. Darum erstand ich neulich ein, wie nennt sich das wohl, vielleicht ein Kartenportmonee oder ein Kartenaufbewahrungsetui, ja, das passt besser zur deutschen Sprache, jedenfalls ein Teil, in das viele Karten und ein Apple AirTag passen, damit ich es wieder finden kann, wenn es mal verloren geht. Scheine passen auch rein, aber definitiv keine Münzen. Die Idee kam mir beim Kauf ganz großartig vor, aber ich hatte nicht bedacht, dass ich damit das Grundproblem nicht verändern würde. Also trage ich jetzt neben einer deutlich dünneren Geldbörse ein zweites Ding mit mir herum, in dem sich alle Karten befinden. Passend dazu ein Artikel in der taz zur Frage, ob nun Bargeld oder Kartenzahlung umweltschonender ist.
Bis neulich musste ich das Portmonee auch herauskramen, um meinen Briefkasten zu leeren. Denn der Ring des Briefkastenschlüssels war oben abgebrochen und konnte nicht mehr am Schlüsselring befestigt werden. Bis hierhin hatte ich angenommen, dass jeder noch so kleine Schlüssel nachgemacht werden könne, stiefelte damit also vor einer Weile zu so einem Schlüsseldienst. Der Angestellte blätterte eine Weile ernst in einem dicken Katalog, gab mir den Schlüssel zurück und sagte, den könne er nicht nachmachen. Nach weiteren Offline- und Online-Versuchen stellte sich heraus: Dieser vermaledeite Briefkastenschlüssel ist reproduktionstechnisch sicherer als jede Schließanlage: Er ist von solch einem billigen no name-Fabrikat, dass ein Nachmachen unmöglich ist. Unmöglich ist vor allem die Situation. Darum bestellte ich vor ein paar Tagen augenrollend ein komplett neues Schloss, montierte es und freue mich fürderhin über eine Situation weniger, in der ich nach der Geldbörse kramen muss.
Der Frühling kommt, und das ist für mich traditionell eine eher anstrengende Zeit: Ich habe eine Frühblüher-Allergie. Seit einigen Jahren ändern sich die Symptome und ich frage mich, ob hier inzwischen andere Pflanzen blühen oder ob es an meinem Körper liegt. Diesmal jedenfalls niese ich weniger, bin dafür aber so erschlagen müde, als hätte ich mich beim Sport völlig verausgabt. Es kommt sogar vor, dass ich zwei Mal am Tag Mittagsschlaf mache. Nun ja, es gibt Schlimmeres.
Es gibt aber auch Schöneres, zum Beispiel das Lesen. In den letzten Monaten las ich wieder mehr. In meiner Freizeit wechseln sich Spiele, Fernsehen und Lesen in unregelmäßigen Phasen ab, und gerade ist eine Lesephase, was ich sehr begrüße. Es gibt Wochen, in denen der Fernseher gar nicht eingeschaltet wird, stattdessen wäre ein gelegentliches Seitenumblättergeräusch zu hören, wenn ich nicht vornehmlich auf eBooks setzen würde. Gerade denke ich: Könnte man das nicht einbauen? Elektroautos haben doch auch Lautsprecher, um beim Rangieren sicherheitshalber Geräusche von sich zu geben. Neulich fiel mir jedenfalls auf, dass ich beim Lesen eines Buchs meist vier Phasen durchlaufe.
Phase 1: Ankommen
Das Buch zu beginnen, fühlt sich an, wie in eine neue, unbekannte Welt abzutauchen. Ich weiß noch nicht, wie sie sich anfühlen wird, die Welt und die Reise, und mit den ersten Seiten stelle ich mich auf die neuen Gegebenheiten ein. Wird es rau, kalt, heiß, trist, gemütlich, herzerwärmend oder ganz anders? Wer sind die Hauptfiguren, kann ich mich mit ihnen identifizieren, wen mag ich und wen nicht? Wie ist überhaupt das ganze Setting?
Phase 2: Lesen
Dann kommt die lange Phase des Lesens: Die Welt ist bekannt, und mit jedem Wiedereinstieg ins Buch begebe ich mich dorthin zurück. Gerne, vielleicht auch mal ungerne. Das dann entweder gepaart mit wirklicher Ablehnung, dann ist das Buch schlecht oder wir passen gerade nicht zueinander. Oder aber gepaart mit einem freudigen Ekel, wie bei süßsauren Bonbons. Das kommt vor, wenn die Geschichte sehr gut geschrieben ist, ich aber fröhliche Angst oder freudige Aufregung verspüre, einen Thrill, ohne das Buch weglegen zu wollen.
Phase 3: Abschied
Irgendwann entlässt das Buch mich aus der Welt, es tritt manchmal sogar eine Art kleiner „Buch-beendet-Depression“ auf, die mich fast schon wehmütig an die gute Zeit denken lässt. Gibt es einen Nachfolger des Buchs, der im gleichen Universum spielt, schiebe ich diesen auf die Wunschliste oder kaufe ihn direkt. In dieser Phase trauere ich dem Buch und den Charakteren noch etwas nach, denn wir mussten Abschied nehmen.
Phase 4: Neuorientierung
Die Trauer lässt sich verkürzen mit der vierten Phase, und das ist die der Suche nach neuem Lesestoff. Meistens greife ich dafür auf meine Wunschliste zurück, schaue, welche Bücher ich notiert habe und überlege, wonach mir eher der Sinn steht: Coming of Age? Fantasy? Krimi? Manchmal will ich mehr vom Gleichen, manchmal einen kompletten Wechsel. Ich lese Zusammenfassungen, Onlinebewertungen und schaue auch in die Quelle, also dort nach, wo ich von dem Buch erfuhr. Meist ist das ein Podcast oder eine Literaturseite. Und dann kaufe ich zwei-drei Bücher, lade sie auf die Geräte und freue mich, wieder bei Phase eins beginnen zu können.
Dieser Tage verteilte sich zufällig eine Handvoll Familienmitglieder zeitgleich auf verschiedene Fluggebiete dieser Erde und ich kam mit dem Einrichten diverser Zeitzonen-Uhren auf dem Smartphone durcheinander. Verrückter war es nur, als ich vor einigen Jahren in China war und ein Familienmitglied zeitgleich in den USA. Zusammen mit den Chats in die deutsche Zeitzone musste ich dauernd hin und her rechnen. Mir vermittelte das einen Eindruck davon, wenn Firmen sich auf den ganzen Globus verteilen. Vorteil: Der Support ist ständig erreichbar. Nachteil: Irgendwer schläft immer.