Kennt ihr das? Dieses diffuse Gefühl, das einen bei dem Wort überkommt? Darkroom. Huuuuh. Da könnte ja alles passieren. Vor allem aber ganz viele, fiese Geschichten, da sich dort ja der Abschaum der Gesellschaft trifft, um anonym möglichst viele Krankheiten weiterzugeben… Aber was ist ein Darkroom denn nun wirklich? Und ist es da ernsthaft so schlimm?
Tatsächlich kann ich mit meinen zwei Besuchen in einem Darkroom nicht auf ein alles erschöpfendes Wissen zurückgreifen, aber für mich hat sich der Schleier des gruselig-gefährlichen gelüftet. Hier geht es um nackte Männer, Sado-Maso und Sexvorlieben, die vielleicht nicht jedermanns Sache sind.
Das erste Mal war ich in Köln in einem Darkroom. Wir hatten das ursprünglich gar nicht vor. Nein, ehrlich. Ein Freund aus dem Ruhrgebiet war zu Besuch und wir wollten zusammen die Kölner Szene besuchen, weil es das im Ruhrpott so nicht gibt. Also orderte ich bei einem Freund einen „Kulturschock für den Gast“. Das funktionierte zwar, allerdings auch für mich: Nach dem Besuch einer einschlägigen Bar stolperten wir bereits reichlich angetrunken in ein etwas handfesteres Etablissement.
Neben den in schwarz gehaltenen Räumen dominierte eindeutig das Bett im Hauptraum, auf dem sich auch bereits zwei in spärliches Leder gekleidete Herren vergnügten. Wir gingen eine Treppe zur Tanzfläche hinunter. Die Bar war mit Gitterstäben versehen und an der Decke hingen Fernseher, auf denen ein Hardcoreporno lief. Mir dämmerte, dass es hier nicht zimperlich zugehen würde. Gänzlich aus der Fassung brachte mich aber der splitterfasernackte Mann, der plötzlich an der Bar erschien, jeden ein Mal von oben bis unten musterte und dann wieder verschwand, nur, um dieses Ritual ein paar Minuten später zu wiederholen.
„Der kommt aus dem Darkroom“, ließen wir uns aufklären. Und damit stand für mich fest: Wenn wir schon mal hier sind, will ich das auch sehen. Leider traute sich von den anderen keiner, mitzukommen, also trat ich den Weg allein an: Vorbei am Lederbett im Erdgeschoss ging es durch einen Plastikvorhang in einen wirklich dunklen Raum mit übermannshohen Decken, die ein Labyrinth formten. Von irgendwoher stöhnte es und einige Männer standen an die Wände gelehnt herum und schienen nur auf mich gewartet zu haben.
Ich machte zögernd ein paar Schritte ins Labyrinth und sah im ersten Raum eine Art Frauenarztstuhl. Ich kann mir keine unangenehmere und erniedrigendere Stellung ausdenken. Hier wurde glücklicherweise gerade nicht „gearbeitet“. Im zweiten Raum erwartete mich ein Andreaskreuz, das ebenfalls für einschlägige Spielereien gedacht war. Auch hier war gerade niemand zugange. In dem Moment fiel mir ein, was ich über genau diesen Darkroom gehört hatte: „Dort gibt es einen Raum mit einer Badewanne. Es kann sein, dass du da rein kommst und da liegt einer drin, der dich anbettelt, ihn anzupinkeln.“ Mich verließ in dem Moment der Mut und ich ging zurück zum Bett, wo meine Freunde mit neugierigen Gesichtern warteten.
Teil eins der Geschichte: Niemand hat mich angetatscht und keiner befummelt. Allerdings war ich angesichts des auch an den Füßen unbekleideten Mannes auf der Tanzfläche und den gebrauchten Taschentüchern auf dem Boden des Darkrooms etwas angeekelt. Der Abend endete in einer Disco für Lesben, in der ich vom schwulen DJ angegraben wurde, das war dann wieder recht lustig.
Mein zweites Erlebnis mit einem Darkroom hatte ich in Leipzig. Es hieß, er wäre der einzige in einem großen Umkreis. Da wir den ganzen Tag mit Sightseeing verbracht hatten, war ein netter Abend in einer Bar angebracht. Außerdem waren wir neugierig. Und siehe da: Dieses Mal bekam ich sogar eine Führung!
Der Freund eines Freundes nahm mich an der Hand – in der anderen Hand hielten wir unsere Cocktails – und zog mich durch die teilweise stockdunklen Gänge und Räume dieses wieder wie ein Labyrinth angelegten Darkrooms, bis in die hintersten Ecken hinein. Ich hätte ungelogen dort allein nicht auf Anhieb heraus gefunden.
In Leipzig bekam ich also alles einmal zu sehen: Einen Sling, einen Bock in passender Bückhöhe, eine Liege, einen Computerplatz zum Chatten, einen Raum zum Beobachten der anderen, Gitterkäfige und… ja, und diese kleinen Räumchen. Sechs an der Zahl, drei rechts, drei links, in der Mitte ein enger Gang. In jeder Zwischenwand befand sich eine kleine Holzwand auf Hüfthöhe, die man nach Belieben zur Seite schieben konnte. In den jeweils in der Mitte gelegenen Räumchen waren also zwei Türchen, in jeder Wand eine. Für die Benutzung dieser Schiebeschleusen sind der Kreativität nun keine Grenzen gesetzt. Man kann Dinge hindurch stecken, selbst hinein greifen oder nur schauen, worauf auch immer man Lust hat. Das besondere ist, dass man eben sein Gesicht nicht zeigen braucht, was also gänzliche Anonymität bringt. Zur Aufmunterung hing an der Decke eines jeden Raumes ein Fernseher, bei dem man sich unter zahllosen Pornos entscheiden konnte.
Wir saßen mit unseren Cocktails nebeneinander in einem solchen Raum und konnten auch tatsächlich die eine oder andere Aktivität beobachten, aber das führt zu weit. Alles in allem war es eine spannende Führung, die ich so in keinem Museum je erlebt habe…
Teil zwei der Geschichte: Obwohl wir aufmerksam beobachtet wurden, sprach uns auch hier niemand an oder kam unangenehm nah. Meine Sorge, mich eventuell gegen notgeile Fummler wehren zu müssen, war auch hier absolut unbegründet.
In mein Fazit gehen nun einige Jahre an Überlegungen zu schwulem Verhalten mit ein und ich denke, dass ich das zu meiner hetero-Zeit wohl nicht so gesehen hätte: Ich habe mich dort tatsächlich wohl gefühlt. Jemand, der auf schnellen Sex aus ist, dem es auch nicht darum geht, zu plaudern oder sich kennen zu lernen, ist in einem Darkroom möglicherweise gut aufgehoben. Dort gibt es keine Schichten, keine Kleiderordnung, keine Namen. Es gibt aber offenbar Regeln, die auch eingehalten werden. Mich hat die unkomplizierte Art fasziniert, nach der dort gelebt wird.
Unkompliziert zu sein und insbesondere auch andere Menschen das ausleben zu lassen, was sie möchten, habe ich mir aber auch versucht, anzugewöhnen. Seitdem sage ich viel häufiger „bitte, wenn er/sie das so möchte…“. Und so lange sich jeder in den gesetzlich vorgeschriebenen und in den für eine gute Gesundheit empfohlenen Bahnen bewegt, finde ich, sollte man denen den Spaß lassen, die ihn daran haben.
Der alles zusammenfassende Schluss lautet: Ein Darkroom ist nichts anderes als eine große Orgie, bei der jeder das tun kann, was er möchte. Und wie das Wort „Darkroom“ zweifelsfrei vermuten ist, ist ein elementarer Bestandteil dieser Sexparty tatsächlich die Abwesenheit von Licht.
Foto: bykst / pixabay
Hi, kannst du mir vielleicht die Adresse von dem Club in Köln geben…? 🙂 Ich würde mir das gerne auch mal angucken.
Soweit ich weiß, existiert er leider nicht mehr.
hast du mal die genaue adresse für mich von dem club hört sich ja echt gut an
Sehr gut geschriebener Artikel, danke dafür.
Hallo,
Also ich habe jetzt richtig dolle Lust.
Sehr schön geschrieben! Hat mir gefallen!
Jetzt brauche ich nur noch die Adresse und
ich wäre mehr als nur glücklich! Da will ich jetzt
einfach hin!