Hochleveln

Beim Spielen kommen mir ständig Ideen über das Leben und die Welt. Diesmal: Wie „Spiritfarer“ ständig schwieriger wird, mein Spielcharakter aber auch immer mehr Fähigkeiten erlernt und so eine Art Gleichgewicht bleibt. Aber was hat das mit dem echten Leben zu tun?

Dieser Tage spiele ich Spiritfarer, ein Spiel mit Fokus auf Ressourcenmanagement und eine schöne Geschichte. Die Grundidee ist die gleiche wie beim bekannteren Stardew Valley: Man bekommt eine Aufgabe, muss dafür bestimmte Ressourcen sammeln, schließt die Aufgabe ab und bekommt dafür eine Belohnung. Dabei kann es sich um Erfahrungspunkte, eine Währung oder Waren handeln.

Die nächste Aufgabe ist etwas schwieriger und/oder aufwändiger, ich muss jetzt vielleicht zwei verschiedene Sachen sammeln und an mehrere Orte reisen. Später müssen Ressourcen kombiniert werden, manche wachsen vielleicht nur langsam, andere müssen aufwändig hergestellt werden. Kompliziert wird es, wenn für den Erhalt/Abbau einer Ressource ein Upgrade meiner Ausrüstung erforderlich ist, oder dafür eine andere Ressource benötigt wird. Bald werden zudem Tiere oder andere Lebewesen eingeführt, die gefüttert und betreut werden müssen, man geht also auch gewisse regelmäßige Verpflichtungen ein.

Mit der Zeit verschachteln sich die Aufgaben mehrfach, so dass für das Erledigen von Aufgabe A zuerst B abgeschlossen werden muss, was nur mit C und D möglich ist, außerdem mit Aufgabe E, aber die wird mir nicht angezeigt und ich muss sie selbst herausfinden. Also: Das Spiel wird zunehmend komplex.

Dafür wird aber auch meine Spielfigur immer stärker. Der Charakter lernt neue Fähigkeiten, hat mehr Ausdauer, schaltet Schnellreisepunkte frei und allerlei weitere Dinge. Gleichzeitig werde auch ich vor dem Bildschirm besser. Ich kenne Spielmechaniken auswendig, die ich anfangs noch lernen musste und ich kann zeitliche Events besser timen.

Spiele sind ausgewogen fordernd und belohnend, wenn sie die Schwierigkeit im gleichen Maße hoch schrauben, in dem die Fähigkeiten der Spielfigur und auch der spielenden Person besser werden. Es darf auch mal Diskrepanzen geben, das macht es sogar spannend, aber der Trend muss passen. Das so hinzuprogrammieren ist einigermaßen schwierig.

Und dann fiel mir neulich auf: Das läuft im wirklichen Leben genau so ab. Mein erstes Ressourcenmanagenemt als Kind bestand darin, zwei Wochen das Taschengeld zu sparen, um mir davon eine Packung Kaugummi leisten zu können. Mit den zehn Streifen musste ich danach eine Weile hinkommen. Aus erwachsener Sicht scheint das eine sehr einfache Aufgabe zu sein, aber in dem Alter ist das Skillset noch klein, es stehen also weniger Fähigkeiten zur Verfügung.

Einige Jahre später, in der Ausbildung, brauchte ich über den Kaugummikauf nicht mehr nachzudenken. Ich verdiente sogar genug, um auch mal ausgehen zu können. Aber die regelmäßigen Lebenshaltungskosten wie Miete, Einkaufen, Internet machten mir zu schaffen. Im Spiel sind das also die Tiere, die regelmäßige Aufmerksamkeit benötigen.

Mit dem Ende der Ausbildung und dem Einstieg ins Berufsleben kamen zwar mehr Geld, aber auch größere Ausgaben. Und so geht es immer weiter: Später im Leben überlegt man vielleicht, richtig große Anschaffungen zu tätigen, mein Haus, mein Auto, mein Boot (die Älteren werden sich erinnern).

Also: Das Leben dreht die Schwierigkeitsstufe ständig hoch, indem immer mehr Ablenkungen eingestreut werden. Krankheiten, Verpflichtungen, Rückschläge. Im gleichen Moment werden – im günstigen Fall – aber auch die Ressourcen und die Fähigkeiten verbessert, man bewegt sich also zunehmend schlauer in dieser Welt.

Ich frage mich, ob bei der Entwicklung der ersten Spiele mit diesem Prinzip von Ressourcenmamagement das Leben als Vorlage gedient hat, oder ob die Ähnlichkeiten zufällig sind.


10 Antworten

  1. Ein interessanter Gedanke!
    Vielleicht sprechen uns Menschen Spiele mit bestimmten Schwierigkeitsgrade auch deswegen an, damit wird das ,,Leben“ daran üben können. Kinder spielen ja auch immer ,,schwierigere“ und komplexere Spiele, je älter sie werden.

    Mir ist mal bei einem Spiel mit einer recht flachen Lernkurve (Kingdom Come: Deliverance) aufgefallen, wie unglaublich großen Spaß mir das Spiel gegen Ende gemacht hat, als meine Spielfigur ein richtig toller Ritter war. Es fühlt sich eben anders als an, als ein erfahrener Krieger in toller Rüstung durch den Wald zu reiten, wenn man sicher vorher auch mal ängstlich von Baum zu Baum geschlichen hat, weil man sich noch nicht einmal einen Knüppel hat leisten können.


    1. Kingdom Come: Deliverance hat eine flache Lernkurve? Ich war gleich am Anfang völlig überfordert, allein schon mit dem Kampfsystem. Aber das könnte natürlich auch Absicht sein, eben weil man an den Aufgaben wachsen soll.


      1. Genau deswegen ist die Lernkurve ja flach: Man lernt erst langsam und mit viel Mühen, braucht mehr Zeit.


        1. Verstehe! Dann hatte ich wohl nicht genug Biss. Nach deinen Berichten in deinem Blog habe ich es mir vor einer Weile nochmal runtergeladen… aber dann wurde der Nachfolger angekündigt ;-)


          1. KCD 2 liegt noch bei mir auf Halde. Habe mich noch nicht rangetraut, weil ich ein bisschen Sorge davor habe, darin zu versumpfen. :-)


          2. Dafür ist es doch da :-)


          3. Ja, schon. Aber jetzt ist gerade nicht die richtige Zeit dafür, ein paar Wochen lang in ein Computerspiel zu versinken. Die Tage sind eh schon immer sofort rum, wo sie gerade erst angefangen haben.


          4. Prioritäten! Du hast ein Buch fertigzustellen.


  2. Lieber Thomas!
    Ich glaube, dass der Spielehersteller im vollen Leben steht und über das Leben an sich und insbesondere sein eigenes Leben nachgedacht hat. Dabei ist ihm die Verzahnung seines Lebens und dem generellen Leben aufgefallen!
    Ich finde es ganz schön, dass du tiefsinnige Gedankenausflüge unternimmst.
    Für heute wünsche ich ein schönes erholsames und sonniges Wochenende!


    1. Das könnte sein! Ich habe natürlich noch nie ein Spiel entwickelt, aber ich stelle mir vor, dass am Anfang viele Überlegungen rund um das Grundgerüst des Spiels stehen. Und man schöpft natürlich am leichtesten aus den Erfahrungen, die man selbst macht, da liegt das nahe.
      Euch auch ein schönes Wochenende!


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