Neulich war ich ein paar Tage krank. Schuld war wahrscheinlich der chinesische Feuertopf, auch Hotpot genannt. Aber was ist das überhaupt?
Hotpot ist ein Gericht mit vielen Möglichkeiten, das das Essen so kommunikativ macht wie Fondue und bei dem sich alle am Tisch um einen Topf scharen – je nach Gruppengröße auch um mehrere Töpfe. Das Prinzip kommt aus Asien und wurde dort perfektioniert. Als die Stadt des Hotpots gilt Chengdu in der Provinz Sichuan im Herzen Chinas. Schon am Flughafen soll man den Hotpot riechen können, zur Essenszeit soll der Duft die ganze Stadt umwehen. Auch wenn das vielleicht eine Übertreibung eines Hotpotbegeisterten sein mag – die Einwohner der Stadt lieben die Mahlzeit unumstritten.
Für einen Hotpot braucht man: Eine Herdplatte (Gas oder Induktion tun es natürlich auch), einen Topf mit Wasser und eine Menge an Gewürzen sowie die Hauptzutaten: Tofu, Fleisch, Fisch und allerlei Seegetier und Seegras sowie alles erdenkliche Gemüse und mitunter sogar Backwerk – und dies in allen Varianten und Formen. Mit anderen Worten: Im Topf landet später alles Essbare, das nicht süß ist, also keine Früchte.
Das Wasser im Topf wird erhitzt und stark gewürzt. Sobald es brodelt, wird die erste Fuhre der rohen Zutaten hinein gegeben und gewartet, bis sie gekocht sind. Sodann fischt sich jeder das, was er gerne essen möchte, aus dem Topf. Dazu gibt es in der Regel Reis mit selbst zusammenstellbaren Soßen und Dips aus Sojasoße, Knoblauch, Frühlingszwiebeln, Erdnusscreme und je nach Angebot dutzender anderer Gewürze, die man hierzulande teilweise weder kennt noch kaufen kann.
Was unterscheidet Hotpot von Fondue? Hotpot gibt es ausschließlich mit Wasser, nicht mit Fett. Und: Jeder isst alles (was er mag), es gibt keine bunten Stäbchen mit aufgespießten Fleischstückchen. Stattdessen schwimmt im Topf alles herum und man sucht sich eben das, was man gerne hätte. Der größte Unterschied sind allerdings die Gewürze. Denn je nach Region wird die Suppe mitunter unfassbar scharf gewürzt. Einmal tauchte ich nur die Spitze eines Stäbchens hinein und probierte sie – mein Mund brannte für eine halbe Stunde.
Scharf ist also nicht gleich scharf. Und weil auch in China die Geschmäcker verschieden sind, hat man sich etwas einfallen lassen: Es gibt Töpfe, die in sich unterteilt sind. Gerne genommen sind Varianten mit einer Unterteilung, so gibt es eine Suppe für echte Kerle und eine für die Mädchen. Ich zähle immer zur zweiten Gruppe, wohingegen einige der Damen, mit denen ich schon unterwegs war, den „Kerlen“ in nichts nachstanden. Es gibt aber auch Töpfe mit zwölf Unterteilungen oder mehr – je nach Topfgröße. In China gibt es spezielle Hotpot-Restaurants, die ganze „Hotpot-Teiche“ anbieten. Sie sind so groß wie mehrere Whirlpools, so dass sich gleich ganze Belegschaften um sie gruppieren können.
Womit wird die Suppe gewürzt? Damit jeder auch zu Hause Hotpot machen kann, gibt es fertige Mischungen, die einfach ins Wasser gegeben werden. Und wer dachte, diese Mahlzeit sei gesund, dem sei gesagt, dass diese Würzmischungen natürlich voller Geschmacksverstärker und künstlichen Aromastoffen stecken – das ist kein Geheimnis. Diese Mischungen gibt es zwar in Deutschland zu kaufen, die besten kommen aber aus China selbst und werden von vielen hier lebenden Chinesen bei ihren Besuchen im fernen Land gerne mitgebracht.
Trotz fertiger Mischungen muss man seine eigene Suppe aber auch immer noch selbst verfeinern. Ich bin mittlerweile der Ansicht, dass dieses Phänomen, selbst noch etwas beizutragen, ähnlich dem deutschen Grillen ist: Wer das Tier schon nicht selbst erlegt, der freut sich immerhin, wenn er es über glühenden Kohlen selbst garen und dabei mit einem Bier in der Hand über die Fußballergebnisse fachsimpeln kann. So kommen also allerlei mitgebrachte geschmacksverfeinernde Zutaten ins Wasser, wie zum Beispiel Unmengen an ganzkörnigem Szechuanpfeffer, der entgegen seines Namens nicht scharf schmeckt, sondern im Mund eher ein taubes Gefühl hinterlässt. Mit äußerst viel Chili ergibt das ein großartig-scharfes Unterfangen. China ist nicht ohne Grund mit Abstand der weltweit größte Produzent von Chilischoten.
Da diese Mahlzeit wie Raclette und Fondue häufig ohne Dunstabzug im Zimmer oder bestenfalls der Küche veranstaltet wird, gibt es dabei eine starke Geruchsentwicklung. Ist ja klar, denn das Wasser kocht und dampft die ganze Zeit. Man sollte also zunächst nur Klamotten anziehen, die man danach sofort waschen kann. Außerdem empfiehlt es sich bei der Durchführung in den eigenen vier Wänden, ein Fenster zu öffnen, und zwar möglichst weit. Genau das hat mich dann auch krank gemacht, denn ich saß einige Zeit im kalten Wind und habe mich verkühlt. Der Hotpot kann da nichts für – der war wie immer schwer lecker. Durch die verschiedenen Soßen schmeckt er auch jedes Mal anders…
Nun, wo kann man das mal ausprobieren? Am besten in einem echt-chinesischen Restaurant, von denen es in größeren Städten immer ein paar gibt. Die Rede ist nicht von deutsch-chinesischen Restaurants, die ein für das hiesige Klientel angepasstes Mischmasch aus Halbwahrheiten anbieten. China ist ohnehin viel zu groß für eine einzige Essensrichtung. Selbst „deutsches Essen“ kann man nicht so einfach definieren, wie soll das bei einem viel größeren Land funktionieren? Ginge man nach der Landesgröße, müssten Deutsche in China eigentlich ein Restaurant finden, das von sich behauptet, „das typisch europäische Essen“ anzubieten – und das würden wir dann ja auch belächeln.
Ich spreche also von echten chinesischen Restaurants, in denen es auch mal Hühnerfüße und allerlei innere Organe zu Essen gibt, bei denen ich nicht einmal weiß, wo ich sie kaufen sollte, wenn ich sie denn zubereiten wollte. In Bonn gibt es einen kleinen Imbiss, der seinen Job gut macht, aber leider keinen Hotpot anbietet. Dafür gibt es hier neben der Standard-Karte eine handgeschriebene Karte, die man nur ausgehändigt bekommt, wenn man in Begleitung von Chinesen auftaucht – und nur darauf stehen die wirklich spannenden Gerichte. In Köln gibt es mindestens zwei Hotpot-Restaurants (eines eher europäisch eingerichtet mit weniger sonderbaren Zutaten und eines eher chinesisch anmutend, weniger hübsch anzusehen, dafür mit besagten Hühnerfüßen) und übrigens auch ein gutes Restaurant, in dem man das Essen nach Region bestellen kann. Und in Düsseldorf gibt’s das natürlich auch…