Über Schreibsoftware und Treppenstufen

Was steht am Anfang – Papier und Stift oder der Gedanke? Weniger theatralisch habe ich mir diese Frage schon einige Male gestellt, und zwar so: Wenn ich mir eine ganz großartige und tolle Software zum Schreiben besorge, werde ich dann ganz großartige und tolle Texte produzieren? Oder brauche ich erst einmal ganz großartige und tolle Gedanken, die dann den Kauf solch einer Software rechtfertigen?

Neulich las ich im Kieselblog von Ulysses, einer Schreibsoftware, die Blogeinträge sogar direkt veröffentlichen kann. Also warf ich meine vorsichtigen Überlegungen über Bord und griff direkt einmal zu. Der Zeitpunkt ist nämlich günstig: Ich habe gerade Urlaub und das scheint ein guter Zeitpunkt zu sein, ein paar Schritte in dieser App zu wagen.

Apropos Schritte: Sechzehn Stufen hatte die Treppe in meinem Elternhaus. An der Decke des Treppenhauses waren Holzdielen angebracht und dort hing ein großer Kronleuchter. Ich ging diese Stufen täglich so häufig hoch und runter, dass ich noch heute am Rhythmus meiner Hausschuhe zählen kann, wie viele Stufen es waren. Je nachdem, ob ich die Treppe hinauf oder hinab ging, war der Rhythmus zu Beginn langsamer oder erst zum Ende hin, denn die Treppe wand sich oben um 180 Grad um die Kurve.

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Wie die Jugend so spricht

Dieser Tage hatte ich ein interessantes Gespräch mit einer studentischen Hilfskraft. Sie ist 1999 geboren und heute also etwa 24. Ich bin fast doppelt so alt wie sie. Wir redeten über Wörter, die in unserer Jugend „en vogue“ sind bzw. waren.

Sie nutzt zum Beispiel manchmal den Begriff „wild“, um auszudrücken, dass etwas „krass“ ist oder „verrückt“. Ich fragte, ob man denn heutzutage noch „geil“ sagen würde, und sie meinte: „Ja, schon, allerdings nur… wie soll ich sagen… halt wenn der Vibe stimmt.“ – Wieder so ein Begriff. Ich erzählte, wie wir früher in einer Phase gerne „du fudelst“ riefen, wenn beim Brettspiel jemand schummelte. Das kannte sie nicht. Auch der „Milch-Jieper“ war ihr unbekannt. Dass etwas „in“ ist, sagt man wohl auch nicht mehr. Und „stylo“ schon gar nicht, wobei das schon damals seltsam war. „Cool“ hingegen ist offenbar zeitlos, das sagt auch die Jugend von heute noch. 

Es sei ziemlich cringy, meinte sie, wenn jemand einen Begriff wie „wild“ in einer Situation nutzen würde, die nur annähernd und nicht vollständig passend ist. Dann merke sie, wie die Person versuchen würde, modern zu wirken, aber dass es halt schief ginge und das sei eigentlich noch schlimmer als einen alten Begriff zu nutzen. 

Das erinnerte mich an einen früheren Vorgesetzten von mir, der während meiner Ausbildung manchmal in internen Runden Dinge als ganz besonders toll beschreiben wollte und sie nachdrücklich „geil“ nannte. Er schaute dann auch gerne Zustimmung heischend in die Runde, gerade uns Jüngere an. Ich fand das damals etwas fehl am Platz, weil er einfach niemand war, der derlei Worte nutzte – vor allem in solchen Besprechungen wirkte es deplatziert. 

Herrje. Hoffentlich werde ich nicht auch mal zu so einem Menschen oder bin es sogar schon. Ich mag solch neue Wörter und finde die spannend, aber wenn ich sie nutze, sollen sie bitte passen und nicht peinlich rüber kommen. In dem Zusammenhang fiel mir eine Buchrezension ein, die ich neulich las. Der Text schreit förmlich „ich bin Gen Z!“.

In der Rezension wird gegendert. Da kommen Dinge vor wie „cottagecore galore“, was gleich zwei modernere Begriffe in einem sind, dann lese ich ein ironisches „ciao Kakao!“ und „es ist so aufgesetzt und lächerlich einfach“ – zu meiner Zeit hätte das „einfach“ noch woanders im Satz gestanden. Heute spricht die Jugend so. Außerdem kommen vereinzelt englische Begriffe vor, wie „give me an effing break“, „weil da nichts passiert ist I guess“ oder das Wort „strugglen“.

Die Rezension mochte ich deswegen total gerne, weil ich da eine neue Generation Leserschaft rauslese. Ich bin aber auch ein Stück unsicher: Hoffentlich stimmt meine Einschätzung und da schreibt nicht irgendeine uralte Person, die jung wirken will und ich bin drauf reingefallen.

Wie cringy wäre das bitte. 


Bild von Birgit auf Pixabay

Das war der Juli 2023

Tagebuchbloggen? Tagebuchbloggen. Ich praktiziere das für mich selbst schon seit Jahren. Mein allererstes Tagebuch war ein kleines Büchlein mit einem winzigen, nutzlosen Schlösschen daran. Es fühlte sich trotzdem gut an, die Gedanken weg- und abzuschließen. Heutzutage ist das alles digital, aber immer noch vor fremden Augen geschützt. In den letzten Monaten reifte allerdings in mir der Gedanke, ich könnte auch einmal das Gegenteil versuchen: Das Schloss öffnen und Erlebtes wie Gedachtes in eine öffentlich präsentierbare Form bringen. Voilà, hier kommt der erste Monatsrückblick, und gleich mit ordentlicher Verspätung. Ob’s bei dieser Form bleibt, wird sich zeigen, reifen muss alles, sogar und insbesondere Text.

Mein Juli fing mit dem Bachmannpreis an. Den kannte ich bis dahin gar nicht und ich weiß auch nicht mehr, wie ich überhaupt auf die Verleihung dieses Preises aufmerksam wurde – es kann eigentlich nur ein Beitrag auf Mastodon gewesen sein. Die Verleihung des Bachmannpreises wird jedenfalls über mehrere Tage zelebriert, denn die eingereichten Texte werden von den Autor:innen live vorgetragen. Ich schaltete buchstäblich mittendrin ein und schaute nach Ende des Tages die vorherigen Tage rückwärts nach. Prosatext-Binging sozusagen. Gewonnen hat am Ende nicht mein Favoritentext, aber Geschmäcker sind unterschiedlich.

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