Ein Blick zurück: Blogs

Heute kam mir die Frage in den Sinn, wie lange ich eigentlich schon blogge. Und Dank der modernen Technik ist diese Frage sogar ziemlich einfach zu beantworten. Diese Seite hier ist nicht die erste, auf der ich in unregelmäßigen Abständen Gedanken niederschreibe. Wenn ich mich nicht verzählt habe, ist es mindestens die vierte – dafür aber die, die bisher am längsten gehalten hat.

Angefangen hat alles mit Blog.de, eine deutsche und werbefinanzierte Seite, die Blogs anbot. Im November 2005 meldete ich mich dort an, nachdem ich aus einer Zeitschrift erfahren hatte, was Blogs überhaupt sind. Mein Interesse war natürlich sofort geweckt. Gedanken und Erlebnisse aufschreiben und sich mit anderen austauschen? Das klang gut.

Mir ist auf dem Weg nach Hause vor ein paar Tagen was witziges passiert: Der Bahnhof, wo ich immer in den Zug nach Hause einsteige, hat zwei Treppen-Aufgänge, mehrere Bänke und zwei Metallsitzreihen, die mit Glaswänden gegen Wind geschützt sind. Ich saß auf so einem Metallstuhl in Richtung des falschen Gleises und las mein super spannendes Stephen-King-Buch. Da fand der Hauptdarsteller gerade seine ermordete Frau. Und der Zug hinter mir fuhr ein. Immerhin habe ich das mitbekommen, weil ich auch noch Musik gehört habe. Ich steh also auf, lese natürlich weiter und gehe die Sitzreihe entlang um dann in den Zug zu steigen und — plong — stehe ich vor einer der Glaswände. Mensch das war peinlich, aber ich glaube das hat keiner gesehen. Ich bin dann schnell in den Zug gelaufen und hab ganz interessiert weiter gelesen.

Wieso mir das jetzt einfällt? Na, ich hab ne Beule am Kopf! 😀

Solche Einträge aus dem Leben waren es, die die kleine Community dort am Leben hielt. Ich kenne nicht die Zahl der dort registrieren Blogs, allerdings können es nicht allzu viele gewesen sein. Ich befand mich nämlich innerhalb nur eines Dreivierteljahres mehrfach in den sogenannten „Top 10“. Wie sich diese Zahl berechnete, wurde allerdings nirgendwo erklärt.

Wie dem auch sei, man kommentierte sich gegenseitig, lernte sich kennen, unterhielt sich. Eine Person traf ich sogar mal im wirklichen Leben. Beeindruckend, was das Internet alles kann. Es wuchs eine richtig nette, kleine Sub-Community auf der Seite heran. Schrieb jemand länger nichts, fragte man nach – irgendwie fühlten wir uns alle einander verbunden. Das war mein erstes Erlebnis einer Internetgemeinschaft und es war richtig schön.

Irgendwann passte die Seite allerdings nicht mehr in mein Leben. Nach 138 Einträgen verschwand Mitte 2006 mein Blog so still, wie er gekommen war. Einige Jahre lang schrieb ich danach Tagebucheinträge, bis ich zufällig auf die nächste Community traf: Twitter. Mitte 2009 ging es für mich los.

https://twitter.com/schreiblehrling/status/2208755544

Häufig „Mikroblogging-Plattform“ genannt, ist Twitter wirklich genau das. Es fühlte sich für mich damals an wie eine Renaissance von Blog.de: Eine kleine Gemeinschaft, in der man sich kennenlernte, austauschte, diskutierte, witzelte und ab und zu sogar persönlich traf. Toll war das. Mit der Zeit wurde Twitter zu dem, was es heute ist, und verlor damit seinen Reiz. Ich wechselte vor einigen Jahren zu Mastodon, was ähnlich zu Twitter funktioniert, aber dezentrale Server anbietet, die kleinere Communities beherbergen. Es fühlt sich gut an dort, ein bisschen wie in alten Zeiten.


Ein Ort, an dem auf solche Nichtigkeiten reagiert wird, ist ein guter Ort.

Schon 2010 startete ich dann meinen eigenen Blog: diesen hier. Mein erster Eintrag dreht sich um Darkrooms und ist witzigerweise bis heute der Artikel, der mit Abstand am häufigsten angeklickt wird. In den vergangenen zwölf Jahren habe ich über viele Themen geschrieben, mir auch die eine oder andere Geschichte ausgedacht. Eine Community wie damals ist allerdings nie entstanden. Wie sollte sie auch, denn meine Seite schwebt frei und alleine in den Weiten des Internets herum, ohne zugehörige und verbindende Plattform. Das ist ein wenig schade, hat mich aber nie abgehalten, weiter zu machen.

Zwischen 2010 und heute sind zwei separate Blogprojekte unter anderen Domains entstanden und wieder eingeschlafen, mir fehlte die Zeit und vor allem auch die Motivation, gleich mehrere Seiten zu betreiben.

Womit wir bei heute angelangt sind. Auf diesem Blog ist es ruhig geworden. Die Einträge des gesamten vergangenen Jahres waren bereits älter und zumindest teilweise vorgeschrieben. Fällt mir nichts neues mehr ein oder ist das Leben langweilig geworden? Nein, es gibt einen anderen Grund: Konkurrenz.

Seit über einem Jahr nutze ich nämlich eine Tagebuch-Software zum Aufschreiben all der lustigen, seltsamen, nennenswerten, fröhlichen, traurigen, kruden und absurden Situationen, mit denen das Leben uns Menschen täglich bewirft. Und ich muss sagen: Sie nimmt mir aktuell die Motivation, den Blog weiter zu bespielen. Ich schreibe stattdessen für mich ganz allein täglich mehrfach, mal kurz, mal lang. Mittlerweile sind dort alle meine jemals formulierten Blogeinträge und alle geschriebenen Urlaubstagebücher abgelegt, sogar viele meiner Twitter-Posts. Dazu Fotos aus der Kindheit, Scans von aufbewahrenswerten Klassenarbeiten und sogar ein Tagebuch meiner Eltern aus meiner frühen Kindheit.

Innerhalb kurzer Zeit ist die Software die wertvollste geworden, die ich je besessen habe, denn sie verbindet alle bisher da gewesenen Welten meines Lebens. Täglich sehe ich, was ich an diesem Tag vor einem, vier oder vor 20 Jahren gedacht oder gemacht habe. Ich sehe Werke aus dem Kindergarten, lese Gedanken aus der Pubertät oder der Ausbildung, lache über einen alten Witz oder höre eine Tonaufnahme von kurz nach meiner Geburt.

Der ideelle Wert dieser Sammlung ist so groß, dass er mich darüber hinweg tröstet, bei diesem Schritt zurück in die Privatsphäre den Community-Effekt verloren zu haben. Dies ist nicht das Ende dieses Blogs, dafür hänge ich zu sehr an der Seite. Es ist ein Status-Update und ein Lebenszeichen für die ein-zwei-drei Menschen da draußen, die diese Seite ab und zu anklicken.

Ich warte gespannt auf den Moment, in dem mir ein Thema einfällt, das ich nicht nur für mich, sondern auch für „die Welt da draußen“ aufschreiben möchte.

Bis dahin!

Eine legendäre Party

„Solche Kostüme haben wir nicht“, bekam ich zu hören. In zwei verschiedenen Karnevalsläden im Rheinland. Man stelle sich das mal vor – in der Karnevalshochburg schlechthin! Was war geschehen?

Vor einigen Jahren wurde ich zu einer 80er-Jahre-Party eingeladen. Zugangsvoraussetzung waren entsprechende Klamotten. Also tingelte ich von einem Karnevalsladen zum nächsten, nur um immer die gleiche Antwort zu erhalten: Die 90er, ja, die hätten sie anzubieten gehabt, oder die 60er und 70er.

Aber was trug man bitte in den 80ern? Kordhosen und Schulterpolster machen sich einfach schlecht als Verkleidung. Aber da ich nun mal zu dieser Feier eingeladen worden war, blieb mir nichts anderes übrig, als eine Verkleidung selbst zusammenzustellen.

Das Internet zeigte sich am Ende gütig und ich fand dufte Klamotten, die man in der Zeit möglicherweise getragen haben mochte. Bis heute bin ich unsicher, ob ich nicht auch als Zuhälter mit verkümmertem Stilbewusstsein hätte durchgehen können. Auffällig war das Ergebnis zwar in jedem Fall, dafür aber auch anstrengend zu tragen:

Der heißeste Tag des Jahres, eine Souterrain-Wohnung und diese atmungsinaktiven Klamotten sorgten dafür, dass mir ständig das Brusthaar-Toupet runter rutschte.

Zentrales Element war das genannte Toupet, das mir geradezu unanständig dichtes Brusthaar verlieh. Dazu kamen bunte Klamotten aus astreiner Ballonseide, die bei sommerlich-schwülen Temperaturen nicht nur heiß aussahen, sondern mir das Gefühl verliehen, ich hätte eine tragbare Sauna angezogen. Knorke.

Dass man dann anfängt, wahllos Flüssigkeiten in sich hinein zu schütten, liegt auf der Hand. Glücklicherweise war ich als Gast dieser Geburtstagsparty umgeben von lieben und vernünftigen Menschen – mitunter bis zur Unkenntlichkeit in den 80ern verschwunden – so dass es gesittet blieb.

Kern der Party war wie üblich das Buffet. So traf man sich bei Mettigel & Co., schenkte sich gegenseitig nach und amüsierte sich über Tattoo-Sleeves für die Arme und leicht verrutschte Fokuhilas. Währenddessen wurde der aufblasbare Sessel zur Foto-Location erklärt und alle durften einmal posieren.

Es sind also viele Fotos entstanden, die ich aus Gründen der Zurückhaltung und dem Recht am eigenen Bild natürlich hier nicht veröffentlichen kann (Unsinn, mir ist meine Verkleidung einfach peinlich). Außerdem hatten wir alle einen in der Krone. Nur so viel: Wir sehen oberaffengeil aus, alle miteinander.


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Kindersünden

Die Kindheit. Das Leben ein Abenteuer, jeder Tag neu und jeder Tag spannend. Bis irgendwann die Gesellschaft Dinge von einem erwartet – absurde Sachen wie schulische Leistungen oder die Anschaffung eines Weckers.

Bis es soweit ist, wehrt sich das Jugendlichenherz noch eine Weile gegen die starren Regeln und möchte weiter frei und kreativ sein dürfen. Diese Übergangsphase mündet gerne nahtlos in die Pubertät und ach, Eltern haben es auch nicht gerade leicht.

Neulich fielen mir jedenfalls ein paar der Dinge meiner Jugendzeit ein, die in diese Phase fielen. Das alles fand in den 80ern und 90ern statt und wenn ich heute daran zurückdenke, war das schon deutlich andere Zeit. Es gab schließlich keine Handys und – Achtung – kein Internet.

Da Instagram und Snapchat noch nicht erfunden waren, machten wir uns über die Pflaumenbäume des unfreundlichen Bauern her. Die Bäume standen am Rand eines Feldes, er ignorierte sie in der Regel und ließ das Obst verkommen. Nicht so, wenn er uns beim Ernten erwischte – dann war das Gezeter groß.

In einem Winter hatte es so viel geschneit, dass wir im Garten ein Iglu bauen und ständig Schneeballschlachten veranstalten konnten. Eines Tages rotteten wir uns zusammen und beschlossen, Schneebälle auf Passanten zu werfen. Da wir aber gute Kinder waren, hatten wie vorher vereinbart, immer daneben zu werfen. So entstanden ganz lustige kleine Gefechte mit Spaziergängern, die Humor hatten.

Irgendwann wurde dann auch mal der Zigarettenautomat im Dorf interessant. Das Bargeld aufzutreiben und einen Moment abzupassen, zu dem einen niemand beim Kauf der Glimmstengel erwischen konnte, war schon ein Abenteuer für sich. So spannend das noch gewesen war, so enttäuschend stellte sich das Rauchen selbst heraus. Ich hielt nur wenige Züge aus.

Natürlich gab es auch den ortsbekannten Rowdy und er wohnte ausgerechnet in unserer Straße. Es wurde für Monate Dorfgespräch, als er nach einem Streit mit einer Nachbarin Teile ihrer Hausnummer abgeschraubt hatte. Zum Glück ließ sich der Postbote nicht irritieren und stellte die Briefe weiterhin richtig zu.

Mit zunehmendem Alter erweiterten sich die Möglichkeiten. Eines Abends erstand ich mit einer Freundin ein Paket mit 30 Likören, wir verzogen uns auf einen Baum mit guter Aussicht und tranken sie alle aus.

Mit dem Führerschein kam dann auch die Idee, bei der Fahrt fremde Menschen zu grüßen und im Rückspiegel belustigt zu beobachten, wie sie mit der Erfahrung umgingen. Manche grüßten sicherheitshalber freundlich zurück, andere verstanden den Scherz und winkten ab.

Ach ja, eine Kindheit ohne Internet war schon schön. Allerdings schien es dann auch der richtige Moment, als es endlich Einzug hielt! Fortan saß ich stunden- und tagelang vor dem PC und unterhielt mich mit aller Welt. Daraus erwuchs dann auch irgendwann ein Account bei Blog.de, einer Seite, die es heute gar nicht mehr gibt. Spulen wir ein paar Jahre vor und zack sind wir bei heute, und du, der du das hier liest, spielst auch eine Rolle. So schnell kann’s gehen.