WMDEDGT – 5. September 2024

Unter „Was machst du eigentlich den ganzen Tag“, kurz #wmdedgt, versammeln sich die Tagebuchbloggenden an jedem 5. eines Monats und berichten vom Tag. Initiiert wurde das von Frau Brüllen.

Morgens mit Ohrwurm aufgewacht und ich glaube, ich habe das Lied die ganze Nacht durch gesungen. Merke: Abends vor dem Schlafen besser keine Musik mehr hören. Und nur, weil ich im vergangenen WMDEDGT ebenfalls von einem Ohrwurm schrieb, soll das bitte keine Regel werden.

Später stehe ich vor dem Kleidenschrank, denke „ich habe nichts anzuziehen!“, jedenfalls nichts, was zu dem kaltnasswarmen Wetter passt. Es sollen zwar 30 Grad werden, aber momentan treffen sich Taupunkt und Temperatur bei 17, mit anderen Worten, et is eggelisch.

Bei der Arbeit spüre ich das seit gut zwanzig Jahren immer wieder anekdotisch erwähnte „Sommerloch“ zum zweiten Mal in meinem Leben. Das erste Mal war im vergangenen Jahr, das verwirrte mich anfangs sehr, aber auch dieses Jahr ist es seltsam: Es treffen wesentlich weniger E-Mails, Anrufe und generell Projekte ein. Die To Do-Liste indes reicht bis zum Herbst und sollte weiter bearbeitet sein, wenn sie dann alle aus ihren Urlauben und Dienstreisen zurück sind und Aufgaben und Fragen mitgebracht haben.

In der Mittagspause höre ich die ersten Minuten von „Pageboy“ von Elliot Page, in der deutschen Fassung gelesen von Jonathan Perleth. Page hat eine Transition von Frau zu Mann hinter sich. Mich hat es sehr beeindruckt, wie in der Fernsehserie „The Umbrella Academy“ damit umgegangen wird: Nach einer Staffelpause tritt er als Mann mit kurzen Haaren auf und die Gespräche dazu laufen etwa wie folgt ab: „Vanya heißt jetzt Viktor.“ „Ah, okay.“ Fertig. Im Buch erfährt man vermutlich, dass sein Weg in der wirklichen Welt nicht ganz so einfach gewesen ist. Bin gespannt.

Nach der Arbeit falle ich aufs Sofa und schlafe wie ein Stein. Woher diese Müdigkeit oft kommt, frage ich mich, aber der Körper wird schon seine Gründe haben.

Anschließend geht’s raus. Ich mache in der untergehenden Sonne einen Spaziergang über einen Berg, durch ein Waldstück und vorbei an Feldern. Die meiste Zeit begleitet mich ein Schwarm winziger Fliegen, vielleicht auch mehrere Schwärme im Schicht- oder Staffeldienst, ist auch egal, jedenfalls ist deren liebstes Hobby, direkt in meine Augen zu fliegen. Es macht mich wahnsinnig.

Eine halbe Sekunde Zeit für das Foto, dann musste ich wieder Fliegenwedeln
Eine halbe Sekunde Zeit für das Foto, dann musste ich wieder Fliegenwedeln

Auf dem Heimweg geht’s beim Supermarkt vorbei, für dies und das, zurück zu Hause brauche ich eine gute halbe Stunde zum Auskühlen. Draußen war es wärmer als gedacht.

Nach einer Dusche und dem Abendessen schreibe ich diese Zeilen und werde den Rest des Abends spielen oder lesen.

Fand ich süß
Fand ich süß

Beim Spielen über das Leben nachgedacht

Heutzutage sind Spiele so konstruiert, dass die Stunden vorbei ziehen, ohne dass man es merkt. Bei Diablo beispielsweise ist das zwar einerseits anstrengend, weil man ständig reagieren und konzentriert sein muss, aber seltsamerweise stellt sich manchmal gleichzeitig eine gewisse Ruhe ein, in der die Gedanken wandern können – Flow eben.

Ich habe gerade einen Charakter mit Elektro-Fähigkeiten, er schießt also Blitze aus dem Zauberstab. Das ist ein sehr schneller Build, die Blitze flitzen nur so über den Bildschirm und erreichen auch die computergenerierten Gegner, die manchmal noch gar nicht zu sehen sind. Oftmals sterben sie auch, bevor ich mich ihnen überhaupt zuwenden kann, weil die Blitze sich selbstständig ihr nächstes Ziel suchen und gleichzeitig sehr hohe Schadenswerte aufweisen.

So geschah es neulich, dass ein mittelstarker Gegner am Bildschirmrand völlig außerhalb jeglicher Aufmerksamkeit und auch ohne relevanten Belang für den Spielfortschritt sein Leben aushauchte, und auch diesmal hatte mein Charakter ihn dabei nicht einmal angeschaut. Vielleicht ein trauriges Ende, in jedem Fall aber eine völlig irrelevante Existenz dieses Wesens.

Und da musste ich an mich selbst auf diesem Planeten denken. Wenn ich eines fernen Tages ebenfalls das Zeitliche segne, wird meine Existenz völlig geräuschlos enden und ebenso wie bei diesem Gegner keine Relevanz für den Fortgang der Menschheit gehabt haben. Ich werde aller Wahrscheinlichkeit nach keine maßgebliche Änderung eines wichtigen Themas angestoßen und auch keine neue Idee entwickelt haben, die die Welt irgendwie weiter bringt oder in eine neue Richtung steuert.

Das könnte mich traurig stimmen, tut es aber nicht. Früher, da vielleicht, aber mit den Jahren ist das nicht mehr wichtig. Okay, auch heute wünsche ich mir manchmal, irgendwann ein Buch zu schreiben, das noch Generationen nach mir lesen werden. Aber dass das unrealistisch ist, weiß ich selbst (obendrein schaffen das in der Regel nur die Menschen, die im Gegensatz zu mir zumindest mal Bücher schreiben).

Also, bleibt wirklich nichts? Ich glaube nach etwas Nachdenken, das stimmt nicht. Anders als die von ihrer Sippe entkoppelte Spielfigur gehöre ich einer Gesellschaft an und habe, ob ich das nun will oder nicht, einen Einfluss auf sie. Durch die Teilnahme und sogar durch die Nichtteilnahme am gesellschaftlichen Leben beeinflusse ich sie auf eine gewisse Weise. Durch Kontakt zu anderen Menschen, seien es Kollegen, Freunde, Familie, Nachbarn oder der Kassierer im Supermarkt, gestalte ich diese Gesellschaft mit. Durch einen Satz, den eine Person zum Nachdenken bringt, eine Geste, die nachhallt oder einen Wesenszug, den andere sich als gutes oder als schlechtes Beispiel merken.

Also bleibt von jedem Menschen dann eben doch ein ganz klein wenig erhalten, wenn auch meist nur ein winziger Fußabdruck im großen Ganzen. Und um genau zu sein: Auch dieser Gegner im Spiel hinterließ etwas, nämlich XP, Erfahrungspunkte, die mich schneller hochleveln und stärker werden ließen. Wenig, aber immerhin etwas, und damit schlussendlich doch wie im wirklichen Leben.

Jetzt aber zurück an den Controller.

Das war der August 2024

Habe „Deadpool & Wolverine“ im Kino geschaut, wie berichtet. Das letzte Mal war ich vor 12 Jahren im Kino, fiel mir auf, und seitdem hat sich viel geändert. Ticketkauf übers Handy, Zahlen per Kreditkarte, Vorzeigen eines Barcodes beim Einlass, und überhaupt, man kommt ohne Ticket nicht einmal mehr bis zum Popcornstand. Was, wenn ich mal in der Stadt bin und Popcorn möchte (als ob das je geschähe), muss ich mir dann etwa ein Kinoticket kaufen?

Die Snacks waren wie gewohnt genau so teuer wie ein separates Ticket, der Kinosaal immer noch auf Tiefkühlschrankatmosphäre herunter gekühlt (selbst bei 30° C Außentemperatur empfehle ich lange Hose und dicken Pulli), es gab weiterhin über 20 Minuten Werbung vor dem Film, aber der beste Wiedererkennungsmoment: Die Tür zu den Herrentoiletten knallt seit 20 Jahren mit einem fürchterlichen Lärm, und daran hat sich nichts geändert.

Die Stühle im Kino waren aber teilweise erneuert, es gibt jetzt drei Sorten: Die normalen Economy-Stühle; Mittelklasse-Sessel mit verstellbarer Rückenlehne und mehr Beinfreiheit; erste Klasse-Premiumsessel mit Fußablage, wesentlich mehr Platz und Vibration bei Actionszenen. So will man sich also vom Heimkino abheben. Diese Vibrationen ziehen sich durchs ganze Kino, so dass wir auf unseren Holzklasse-Sitzen auch was davon hatten. Am Tag nach dem Film erhielt ich eine E-Mail im Stile von „Danke, dass du da warst“ und einer Liste der Trailer, die wir geschaut haben. Aftersales heißt das, glaube ich, schlaue Idee. Insgesamt ein wiederholenswertes Erlebnis.

Ich habe jetzt eine neue Kreditkarte. Sehenden Auges verkaufe ich meine Daten an Payback und bin sehr gespannt, ob, wenn ich alle Kreditkartenzahlungen fortan darüber laufen lasse, am Ende eines Jahres ein nennenswerter Gewinn für mich dabei rausspringt. Ich bin nur wenig optimistisch.

Zwischendrin hatte ich anderthalb Wochen Urlaub, die ich größtenteils mit der Frage verbrachte, wie andere Leute drei oder sogar Wochen haben können. Einmal war ich in dem neulich erwähnten französischen Café frühstücken, diesmal mit Seltenheitswert: Es war Mitte August, morgens schon sehr warm, und im Laden herrschten schätzungsweise 30 Grad. Also setzten wir uns raus, die Tische standen direkt an der Straße, die stärker befahren war, als ich gedacht hatte. Also war das schon relativ laut. Allerdings wurden nebenan auf einer Baustelle Pflastersteine verlegt und mit einer Kreissäge geschnitten. Immer wenn der Bauarbeiter damit gerade pausierte, warf einer auf einer Baustelle daneben seinen Rüttler an und verdichtete Kiesboden. Während wir uns die Lachtränen wegwischten, fuhr die Straßenreinigung zwei Mal an unserem Tisch vorbei und wir gaben die Versuche auf, uns zu unterhalten. Nächstes Mal dann gern im Herbst und drinnen.

Neulich bekam ich eine Mail meiner Autoversicherung mit der Bitte, den Kilometerstand zu überprüfen. Das fand ich witzig, denn die scheinen mir nicht zu glauben, dass ich wirklich so wenig fahre. Ob diese Frage etwas mit den neuen Regionalklassen der Autoversicherungen zu tun hat, weiß ich nicht – ich lasse das mal auf mich zukommen.

In diesen Wochen tauchte ich in die Welt der Umzugsunternehmen ein und war anfangs verwirrt: Fast alle Kontaktleute sagten sie mir, die jeweils anderen würden lügen und betrügen, nur sie seien die einzig Ehrlichen am Markt. Aha. Einer wurde nicht müde, in mehreren Telefonaten so oft zu erwähnen, was für großartige Google-Bewertungen er hätte, dass ich ihn fast mit „jajajaja“ unterbrochen hätte. Und als Familienunternehmen bezeichneten sich auch überraschend viele. Soso. Ich dachte bislang, Unternehmen würden durch Service überzeugen, nicht durchs Schlechtmachen anderer. Mir fiel dann aber ein: Stammkunden gibt es in dieser Branche selten, normalerweise nutzt man so einen Service ja nur einmal. Ich glaube, die Kunden sind darum viel härter umkämpft als anderswo. Fürchterliche Situation.

Eines Samstags klingelte um 5:50 Uhr der Wecker, was für eine Unzeit, aber ich musste Taxi spielen. Ich nutzte die Chance zu einem Frühstücksbesuch bei Freunden (natürlich vorher vereinbart, ich bin doch kein Unmensch), brachte auch Brötchen mit, so dass mein wohl frühestes Frühstückstreffen stattfand: Um 7:45 Uhr klingelte ich sie buchstäblich aus dem Bett. Das war lustig. Und durch das frühe Aufstehen war der Tag danach noch herrlich lang.

Noch zwei Lesetipps: Laut meinen Goodreads-Bewertungen war „Heimweh“ von Graham Norten im August mein Lieblingsbuch. Den etwas komplexen Anfang muss man überstehen, aber danach ist es richtig gut, insbesondere ab der zweiten Hälfte. Und wer gern Blogs liest, dem empfehle ich einen Blick in die „Kleine Weltgeschichte der Weblogs: Was wurde eigentlich aus Klein-Bloggersdorf?“ von Digisaurier.de. Ich sag mal so: Das waren noch Zeiten! (Und mein eigener Blog wird in diesem Jahr ebenfalls ein Jubiläum feiern.)