Zufallsverschwörungen

In einem kürzlich veröffentlichten Video von VSauce lernt man, warum  Situationen, die wir zum Beispiel als besondere Zufälle bezeichnen, gar nicht selten sind. Warum es zum Beispiel nicht unwahrscheinlich ist, ein paar Mal vom Blitz getroffen zu werden – es gibt einfach sehr viele Blitze und sehr viele Menschen. Oder warum Geständnisse von Attentätern rückwärts abgespielt plötzlich «geheime Nachrichten» offenbaren. Schön ist auch der Mythos, die Ägypter hätten «geheimes Wissen» besessen, weil die Ziffernfolge der Koordinaten der Cheops-Pyramide in Gizeh genau der Lichtgeschwindigkeit entspricht (diese Theorie wird hier entkräftet).

Eine Verbindung zwischen den gefühlt so seltsamen Zufällen auf der einen und Verschwörungstheorien auf der anderen Seite ist leicht, siehe oben, denn die Koordinaten-Lichtgeschwindigkeit-Sache ist ja durchaus eine Verschwörung. Jedenfalls will sie eine sein, lässt dabei aber – wie so gerne – Fakten außer Acht, zum Beispiel dass die Theorie nur bei Strecken mit Metermaß funktioniert, die Ägypter aber in Ellen rechneten, schlimmer noch, der Meter war noch gar nicht erfunden. In diesem Fall handelt es sich also noch weniger um eine zufällige Beobachtung als mehr um eine Theorie mit bewusst zurecht gerückten Annahmen.

Erst ein Tag ohne Zufall ist ein besonderer Tag.

Aber auch die zufälligen Momente des Lebens sind genau genommen gar nicht zufällig. So wird im Film berichtet, dass korrekterweise ein Tag, an dem irgendeine «zufällige Situation» NICHT auftrifft, eigentlich ein besonderer Tag sein müsste. Was das für Momente sind? Wir kennen sie alle, es handelt sich um den «kleine Welt»-Effekt: Ich habe zum Beispiel mal im Urlaub in den Niederlanden in einem kleinen Städtchen eine Freundin aus Düsseldorf getroffen. Und eine ehemalige Kollegin lag im Urlaub am Strand in der Sonne, als sie plötzlich ein fröhliches «ach, Sie auch hier?» hörte und feststellen musste, dass die Stimme ihrem Chef gehörte. Traumhaft.

Menschen sind auf Muster fixiert, darin sind wir Meister, das hat uns zur herrschenden Spezies gemacht. Wir suchen ständig nach wiederkehrenden Regeln und sind so gut darin, dass wir auch in Sequenzen, deren einzige Regel darin besteht, keine Regel zu haben, Regeln erkennen. So passiert bei Apples Zufallsplayliste. Nutzer des iPods beschwerten sich, dass die zufällige Liedauswahl nicht zufällig sei, weil häufiger mehrere gleichartige Songs (Band, Album etc.) hintereinander gespielt würden. Tatsächlich war die Funktion perfekt zufällig, aber das menschliche Gehirn fand darin Muster. Deshalb wurde Apple tätig. Steve Jobs: «We’re making it (the shuffle) less random to make it feel more random.»

Das Leben verläuft zufällig.
Es sieht nur manchmal nicht danach aus.

Und was lernen wir daraus? Erstens suchen wir permanent nach Mustern. Zweitens bieten sich über den Tag tausende Möglichkeiten, so dass der Zufall eben das eine oder andere Mal eintritt. Hoffentlich werden wir trotzdem nicht alle morgen vom Blitz getroffen.

Übrigens: Für Hör- und Lesestoff empfehle ich Hoaxilla: Die Macher befassen sich regelmäßig mit Zufällen und zurecht gedrehten Annahmen.

Von Zeigern und Ziffern

EDIT: Wer Lust auf eine gemütliche Auseinandersetzung mit der Neuvorstellung der 6er-iPhones und der Apple Watch hat, dem empfehle ich dringend den „Dirty Minutes Left“-Podcast Nummer 106.

«Heute kaufe ich mir ein Fitness-Armand!» So und ähnlich dachte ich oft in den vergangenen Monaten – und ich war damit sicherlich nicht alleine. Zu verführerisch ist der Reiz des neuen, hippen Gadgets, mit dem sich nebenbei auch noch die eigene Fitness verfolgen lässt. Wenn man denn möchte. Trotzdem kam es glücklicherweise nie dazu. Denn vor kurzem hat Apple sein neuestes Baby vorgestellt, die Apple Watch.

Will man das?
Apple polarisiert. Seit Jahren. Und ganz besonders bei der Vorstellung neuer Geräte. Ich bezeichne mich nicht als «Apple-Jünger», weil ich niemanden bekehren möchte – jeder soll bitte mit seiner Vorliebe glücklich werden. Letztlich möchte jede Firma, ob es nun Apple, Google, Samsung, LG oder Tante Emma mit ihrem gleichnamigen Laden ist, ein bestimmtes Ziel vorrangig erreichen: Gewinnmaximierung. Deshalb ist die Frage, ob man die Apple Watch will oder nicht, von jedem für sich und nur für sich selbst zu beantworten. Meine Antwort: Ich will eine.

Braucht man das?
Eine Uhr am Handgelenk ist ja nun keine neue Erfindung. Ob Smartwatches wohl den Markt neu beleben können? Wobei, braucht der Markt überhaupt eine Wiederbelebung? xkcd hat das in einem Comic auf den Punkt gebracht:

Klar, diese Uhr hat einige Funktionen, die neu sind. Sie reagiert nicht nur binär auf Touch und Nicht-Touch sondern unterscheidet beim Berühren zwischen «ein bisschen Druck» und «ein bisschen mehr Druck». Neu sind auch viele Designs sowie ein völlig umgestalteter Vibrationsalarm, der irgendwie auch «links» und «rechts» vibrieren kann, um mir als Fußgänger den Weg zu weisen. Das ist alles klasse, aber ist es auch nötig?

Ganz einfach: Es ist wie damals bei den Tablets. Gebraucht hat die niemand ernsthaft, aber sobald man sich dran gewöhnt hatte, kam man auch nicht mehr davon los. Inzwischen ist der Tablet-Markt gesättigt, es ist normal, damit im Café zu sitzen, manche trauen sich sogar, damit Fotos zu machen, obwohl das unfassbar bescheuert aussieht. Und die Uhren? Die braucht streng genommen auch niemand. Aber ich traue Apple genug Weitblick zu, um auch diesmal aufs richtige Pferd gesetzt zu haben (denn wie beim iPad sind sie ja auch bei der Apple Watch nicht der Erfinder des Rads sondern springen nur auf den bereits fahrenden Zug auf). Das hieße, dass Smartwatches in wenigen Jahren so natürlich und alltäglich sind wie heute die Tablets – übrigens war es mit Smartphones vor einigen Jahren auch nicht anders.

Kann das was?
Nun aber vom Allgemeinen zum Speziellen. Die Apple Watch, die neulich vorgestellt wurde. Ist die gut? Ich saß – das erste Mal übrigens – am Abend der Vorstellung pünktlich um 19 Uhr vor dem Fernseher, ausgerüstet mit genug Süßigkeiten für zwei Stunden, voller Spannung… und dann hing der Livestream fast durchgängig, die wenigen Momente mit Bewegtbild waren dann auch noch mit japanischer Übersetzung und Originalton doppelt unterlegt. Pustekuchen also, der Abend fiel mehr oder weniger ins Wasser, aber es gibt ja YouTube und so konnte ich mit einem Tag Verspätung die Vorstellung doch noch komplett schauen. Fazit: Begeisterung (Videolink unten).

Und weil ich dann so begeistert war, schaute ich mir spaßeshalber noch die Vorstellung des ersten iPhones an. Was muss Steve Jobs aufgeregt gewesen sein! (Videolink ebenfalls unten.)

Während ich diese Präsentation sah und mich daran erinnerte, irgendwo gelesen zu haben, dass das Gerät da oben auf der Bühne eigentlich noch nicht vorstellungsreif war und die Vorstellung nur aus purem Glück reibungslos verlief, wuchsen leise Zweifel in mir. Von der heutigen Sicht aus gesehen ist das, was Steve Jobs dort vorstellt, klobig, langsam, schlecht gelayoutet und veraltet. Kein Wunder natürlich, es sind seitdem etliche Jahre vergangen. Aber das allererste iPhone, war auch tatsächlich nicht richtig ausgereift. Die Kinderkrankheiten verließen es erst ab Version 3G und 3GS.

Und das stimmte mich da vor dem Bildschirm dann doch nachdenklich, während Steve Jobs live auf der Bühne bei Starbucks «4.000 Latte to go» bestellte. Die Menge jubelte genau so frenetisch wie bei der Präsentation der Apple Watch. Dabei ist diese Uhr wirklich klobig. Und ziemlich dick.

Darum nochmal: Will man das?
Ich bin mir nicht mehr sicher. Zu Beginn ja, sofort, um jeden Preis. Apropos: Der Mindestpreis von knapp 350 US-Dollar steht fest – wobei das Armband ja sicherlich nicht inbegriffen ist – und ich frage mich, ob ich nicht lieber warte und zwei bis drei Generationen später einsteige, so wie beim iPhone.

Geschadet hat es damals nicht. Schon gar nicht dem Bankkonto.

Präsentation der Apple Watch 2014

Präsentation des ersten iPhones 2007

Der Tag, an dem ich auf der Toilette einschlief

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Eine kuriose Phantasiegeschichte in drei Teilen

Kapitel eins

»Aber schlaf nicht wieder ein!« rief Luise mir nach und die anderen lachten.

»Als ob mir das je passiert wäre!« Die blöde Kuh. Luise war die Schwester meiner Freundin Alexa und eine unglaublich laute und anstrengende Person. Sie unterschied sich von Alexa in so gut wie jeder Hinsicht, und so war es kein Wunder, dass sie es selten mit jemandem länger als ein paar Monate aushielt. Dafür fand sie aber auch bei jeder Gelegenheit einen neuen Freund, »diesmal wirklich für länger, er bedeutet mir so viel«. Luise machte kein Geheimnis aus der Tatsache, dass sie mich nicht leiden konnte. So nahm sie jede Möglichkeit wahr, mich zu nerven und als Langweiler oder Idiot darzustellen.

Ich hingegen hatte die Bemühungen, mich mit ihr wenigstens halbwegs zu verstehen, noch nicht ganz aufgegeben. Natürlich tat ich das für Alexa — denn eigentlich konnte Luise mir gestohlen bleiben.

Alexa und ich waren heute zu unserem zweiten Jahrestag mit ein paar netten Leuten und notgedrungen auch mit Luise ein wenig feiern: Erster Stopp war die Tapas-Bar um die Ecke gewesen (erst Tapas, dann Drinks), nächster Stopp die kleine, verrauchte Kneipe auf dem Weg (aber nur für ein Bierchen), und schlussendlich diese verranzte Disco in unserer Kleinstadt. Sie war die einzige, die vernünftige Musik spielte, also auch die einzige, in der es sich aushalten ließ. Ich bin weder ein Kneipen-, noch ein Discofreund, aber um eine Beziehung am Laufen zu halten muss man manchmal Kompromisse eingehen. Dieser Abend war definitiv einer, wenngleich die Tapas noch richtig Spaß gemacht hatten.

Nachtclubs aller Art zogen mich zwar nicht an, aber Alkohol trank ich trotzdem ab und zu ganz gerne. Ich sah mich allerdings eher als Genießer, weniger als Vertreter der »Füll rein was geht«-Fraktion. An diesem Abend allerdings hatte die komplette Mannschaft sich unter Luises Führung auf einen Kamikaze-Kurs gesoffen, der mein übliches Pensum um ein Vielfaches übertraf. Mit anderen Worten: Ich hatte gehörig einen in der Krone.

Der Wein zu den Tapas wurde gefolgt von ein paar Absackern, dem Bier auf dem Weg und in der Disco einer für mich nicht mehr bezifferbaren Anzahl von Cocktails und Shots quer durch die Karte. Wenn Luise eines beherrschte, dann war es die Beschaffung von Alkohol in nicht enden wollenden Mengen — ständig brachte sie neue farbenfrohe Gläser an unseren kleinen Stehtisch.

Nun stand ich in der Schlange derer, die sich auf öffentlichen Toiletten nicht trauen, im Stehen zu pinkeln, und wartete darauf, dass sich eine der vier Feiglingstüren öffnen würde. Nachdem gefühlte hundert Stehpinkler an mir vorbei gezogen waren, stolperte aus einer der Kabinen ein offensichtlich schwer betrunkener junger Mann heraus. Er hatte wohl eine ganze Zeit hinter dieser Tür verbracht, denn ich konnte eindeutig einen Handabdruck in seinem blassen Gesicht erkennen.

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