Moderne Technik – was ist Standard?

Neulich wohnte ich einer Diskussion bei, die sich um den heutigen Technikstandard drehte. Die Meinungen dessen, was man überhaupt als Standard bezeichnen kann und was hingegen zum Luxus gehört, gingen – wie sollte es anders sein – natürlich weit auseinander.

Einige Gesprächsteilnehmer sahen Mobiltelefone als Luxus an. Ein paar besaßen zwar einen Laptop, wussten aber nicht so richtig damit umzugehen. Andere waren der Meinung, dass gerade Mobiltelefone mittlerweile nicht mehr wegzudenken seien. Ich fragte mich derweil, wie ich überhaupt an das Faible für Technik gekommen bin. Die Wurzeln dazu liegen ganz klar in der Jugend: Wir hatten zu Hause immer Computer. Die meisten waren PCs, einige waren Apple-Rechner (first contact!). Mit der Zeit kam der der Spaß im Umgang mit den Geräten und den ersten Computerspielen. Ich wuchs also als Digital Native auf und bin heute sehr froh darum!

Wie weit geht gesundes Digitalgefühl und wo beginnt die Abhängigkeit? Mein iPhone hatte ich in der Tasche und das iPad mitsamt Netbook in der Nähe. Während meine Gesprächspartner versuchten, sich in ihrer Abhängigkeit gegenseitig zu unterbieten („mein Neffe weiß mehr von Computern als ich!“) fragte ich mich, wieso ich eigentlich ein iPhone und kein anderes Gerät habe. Zumindest definitiv nicht wegen des Apfels. Vor über zehn Jahren bekam ich mein erstes Handy und wünsche mir seither die Möglichkeit, das Internet mitzunehmen. Als ich den Wechsel zum Smartphone machte, gab es keine großen Alternativen zum iPhone und ich bin dabei geblieben. Von der Marke bin ich zwar abhängig, aber keinesfalls unumstößlich. Auf die neuen Möglichkeiten, die die Smartphones bieten, werde ich aber nicht verzichten können und wollen.

Der Begriff „Abhängigkeit“ verliert in diesem Zusammenhang ohnehin zunehmend an Trennschärfe, weil wir die neue Technik immer mehr ins normale Leben einflechten. Vielleicht haben sich die Menschen bei der Erfindung der Glühbirne auch gegen die ständige Benutzung der neuen Leuchten gewehrt, um eine gewisse Selbstständigkeit zu bewahren. Trotzdem ist eine Welt ohne Leuchtmittel nicht mehr denkbar, und obendrein sind dadurch natürlich unzählige neue Lebensmöglichkeiten entstanden. Wir sind mittlerweile sozusagen Glühbirnen-Natives – die Frage, ob das Luxus ist, stellt niemand mehr. Auch die Frage, ob Smartphones und mobiles Internet Luxus sind, wird in einigen Jahren niemand mehr stellen.
Der schwammige Begriff „moderne Technik“ – für mich ist das ein großer Strauß an neuen Möglichkeiten, sein Leben zu gestalten. Der Strauß enthält zwar auch eine Reihe fauler Blumen, auf die es zu achten gilt. Alles in allem sehe ich in den Neuerungen der letzten Jahre aber ein sehr mächtiges Werkzeug. Eines, mit dem zu arbeiten leicht aussieht, dessen erfolgreiche Benutzung jedoch etwas Übung voraussetzt.

Der Shitstorm

Es gibt viele Facetten bei der Kommunikation über das Internet. Eine, die besonders hervor sticht, ist der Shitstorm. Ein Wort, das alles über diesen Aspekt menschlichen Zusammenseins aussagt.

Auf Twitter bekomme ich hin und wieder den einen oder anderen Scheiße-Sturm mit und bin jedes Mal aufs Neue verwundert, was für eine Eigendynamik sich praktisch aus dem Nichts entwickelt. Da gibt ein Mensch oder eine Institution jemandem Grund zu Ärger und dieser Jemand veröffentlicht das: Mit der Aktion möchte der Betroffene zuallererst seinem Groll Luft machen, freut sich aber auch, wenn er Gleichdenkende findet, die auf den Zug aufspringen. Aus einer simplen „du bist doof – du aber mehr“-Situation wird eine Schlacht, die wie ein Lauffeuer um sich greift und innerhalb weniger Minuten ganze Scharen an Anhängern mobilisieren kann.

Ein Schneeballsystem? Fast. Der Unterschied ist eklatant: Beim Schneeballsystem beziehen sich die jeweiligen Initiatoren nur auf die Elemente unter ihnen, jeder bleibt für sich gesehen in einer Zweier- oder kleinen Mehrerbeziehung. Der Shitstorm breitet sich zwar wie ein Schneeballsystem aus, aber alle Beteiligten konzentrieren sich auf den ursprünglichen Kampfkern: auf die beiden Kontrahenten und insbesondere auf den, der als Bösewicht dargestellt wird. In der Phase dieses Multi-Bashings auf einen Einzelnen bzw. eine Institution hat meines Empfindens der Shitstorm die Kriterien handfesten Mobbings erfüllt.

Aber: Ähnlich schnell, wie er gekommen ist, kann der Shitstorm auch verfliegen. Insbesondere der Attackierte kann sich die Wunden lecken und nach einer Weile ist alles wie vorher, die Wogen haben sich geglättet. Falls Firmen Ziel einer solchen Animositätenwelle werden, müssen sie Marketinggeschick beweisen. Denn wenn sie mit dem öffentlichen Ärger ihrer Kunden nicht richtig umgehen, ebbt die Flut an Wutbekundungen vorerst nicht ab und aus dem Shitstorm kann ein „Shit-Hurricane“ werden. Das kann so weit gehen, dass auch die Öffentlichkeit, die Presse und der Staat Notiz nehmen und mitmischen. Privatpersonen trifft so eine Anti-Kampagne meines Erachtens schlimmer, da hier ein echter, mehr oder weniger persönlich bekannter Mensch zur Zielscheibe wird und nicht zum Beispiel die Marketingabteilung eines Großunternehmens.

Die sich selbst verstärkenden Hasstiraden mit Eigenantrieb lassen mich immer überlegen: Was sagt das denn über die Menschheit aus; sagt es überhaupt etwas aus? „Alle auf den Schwächeren“? Nein, er ist nicht immer der Schwächere. „Alle auf den, der durch ein bestimmtes Fehlverhalten negative Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat“? Vielleicht schon eher. Hier sollte man aber trennen: Da gibt es diejenigen verhaltensauffälligen Gestalten, die sich durch ein Aufmerksamkeitsdefizitsproblem über jede Art von Rampenlicht freuen und sich vielleicht sogar absichtlich in das Auge des Sturms manövrieren (das gilt übrigens auch für Firmen und insbesondere für kleingeistige Parolenklopfer, für die ich gar kein Verständnis aufbringe). Hier wäre es wohl am besten, die Situation gar nicht hochkochen zu lassen, denn das ist genau die Intention hinter diesem Verhalten.

In jedem Fall machen mich diese Ereignisse jedes Mal betreten, auch wenn jemand ein Ärgernis mit der ausdrücklichen Bitte um einen Shitstorm veröffentlicht, woraus oft nichts wird. Denn ob das massenhafte Draufhauen ohne vorherige Recherche nun – nach welchen Maßstäben auch immer – gerechtfertig ist oder nicht, es ist und bleibt eine der dunkleren Gassen des vielverzweigten Dörfchens Internet.

Träumen

Träumen.

Was für ein schöner Begriff. Wer hat noch nie aus dem Fenster geschaut und seinen Gedanken nachgehangen? Man blickt auf einen Baum oder eine Straße, sieht aber eigentlich gar nicht dorthin, sondern in sich hinein. Wenn ich ins Tagträumen verfalle, merke ich das normalerweise anfangs gar nicht. Irgendwann fällt mir dann auf, dass ich vielleicht sogar jemanden ansehe, ohne es zu realisieren. Einmal habe ich tatsächlich eine ganze Weile einer Frau in den Ausschnitt gestarrt, aber es hat sich zum Glück niemand beschwert.

Wenn andere träumen, schaue ich gern dabei zu. In dem Moment sind die Menschen so dermaßen abwesend, dass sich die Gesichtszüge entspannen. Es ist ein bisschen wie Schlafen mit offenen Augen. Ich frage mich dann oft, wo derjenige wohl gerade ist und was er erlebt. Denkt er an frühere Zeiten, die Kindheit, das gestrige Fußballspiel? Oder an die Zukunft, den Partner, die Affäre? Oft sind es dann aber doch die ganz kleinen Dinge: Das Computerspiel, eine bestimmte Situation in der nahen Vergangenheit oder der Gedanke an einen lieben Menschen.

Was auch immer von demjenigen gerade Besitz ergreift, es ist in der Regel gutartig. Und so störe ich den Träumer nicht, sondern erfreue mich an diesem Bild. Schön, wie der Körper sich ab und zu kleine Auszeiten und Loslösungen nimmt.