Starlight Express ist für mich etwas völlig anderes als nur ein Musical auf Rollschuhen. Na gut, das schon auch, aber meine Erinnerungen daran werden von anderen Erfahrungen bestimmt. Ich war aus verschiedenen Anlässen früher ein paar Mal da, immer als Kind.
Einmal waren wir vorher in einem Hotel essen, dort gab es ein Freibad. Es war heißer Sommer und meine Tante, die schon immer wusste, wie man sich amüsiert, schlug vor, schwimmen zu gehen. Natürlich hatte niemand Schwimmsachen dabei, aber sie hüpfte in Unterwäsche in den Pool, und ihrem Beispiel folgten dann auch wir Kinder. So saß ich also später ohne Unterhose in der Vorstellung, weil diese im Auto trocknete.
Eine Theater- oder Musicalvorstellung ist immer aufregend. Es gab eine Zeit, da hatte ich Angst vor künstlichem Nebel. Ich dachte, ich bekäme darin schlecht Luft und könne womöglich ersticken. Wir saßen einmal in der Vorstellung, als mich ein strahlend helles Licht von oben blendete. Bald fand ich heraus: da war ein beweglicher Scheinwerfer an der Decke montiert. Er bewegte sich nur auf und ab und schien mir in unregelmäßigem Rhythmus genau in die Augen. Mich lenkte das fürchterlich ab, ich kam aber anfangs nicht auf die Idee, die Augen mit der Hand abzuschirmen. Als dann die Nebelmaschine startete, war ich dem nah, was ich heute als Panikattacke bezeichnen würde. Ich bekam mich aber wieder ein als der Nebel aufhörte, und ich konnte mit abschirmender Hand der Show folgen.
In der dritten Vorstellung bekam ich Nasenbluten. Das passierte einige Jahre in meiner Jugend immer dann, wenn ich aufgeregt war. Es hörte auf, sobald ich mich beruhigte, ich hatte mich mehr oder weniger daran gewöhnt. Als es aber mitten in der Show losging, machte mich das nervös. Es hätte zwar genügt, kurz rauszugeben und durchzuatmen, aber in Starlight Express gibt es Sitzplätze, die während der Show nicht verlassen werden können. Wir waren also eingesperrt.
Das machte mir solche Angst, dass das Nasenbluten nicht aufhörte. Irgendwann waren die Taschentuchreserven der Familie und aller umliegenden Gäste erschöpft und ich blutete mir heulend auf den Pullover. In der Pause wurde alles getan, um das Malheur zu kaschieren. „Das sieht keiner“, hieß es, aber das war natürlich eine gutgemeinte Lüge. Im Pausenraum wird ich angestarrt, denn ich lief ganz offensichtlich in einem auf links gedrehten Pulli mit riesigem Blutfleck auf der Brust herum.
Also, Starlight Express? Tolle Rollschuhe, super Action, schöne Lieder – aber wir zwei finden wohl nicht mehr zusammen.
Übrigens, das Nasenbluten bei Aufregung war zwar anstrengend, aber es geht auch schlimmer. Im Kindergarten gab es nämlich ein Kind, das sich in diesen Fällen immer übergeben musste. Ausflüge mit der ganzen Truppe waren entsprechend amüsant: Der eine blutete, für den anderen musste der Bus an jeder roten Ampel kurz die Tür öffnen, damit er sich raushängen konnte…