Wann war die schönste Zeit deines Lebens?

11. April 2025 · 10 Kommentare

Auf den ersten Blick ist das eine ganz einfache Frage. Aber wenn man etwas darüber nachdenkt, leitet sie in vergleichsweise tiefe Tiefen. Wer traut sich?

Mit dieser Frage bin ich neulich aus einem Podcast gekommen. Darin bezogen sie sich auf eine Umfrage unter den Leser:innen eines Magazins, denen zwei Fragen gestellt worden waren: 1. Wie alt bist du heute? 2. Wie alt warst du zur glücklichsten Zeit deines Lebens?

Ziel war es, herauszufinden, ob Menschen eher ein fixes Datum angeben, also zum Beispiel immer die eigenen 30er, oder ob sie eher ein relatives Datum angeben, zum Beispiel immer zehn Jahre in der Vergangenheit, mitwandernd mit dem eigenen Älterwerden. Die Ergebnisse zeigten aber, dass keine der beiden Annahmen zutraf. Denn die Menschen, die die Umfrage ausfüllten, gaben scheinbar zufällige Daten an. Manche fanden also die frühe Kindheit super, andere ihre 20er, 30er, 40er, 50er… auch die Option „jetzt“ wurde häufig genutzt. Es gab minimale Häufungen, aber die waren nicht der Rede wert.

In der Summe also völlig erratische Antworten. Das ist, wenn man drüber nachdenkt, das beste aller Ergebnisse. Denn es bedeutet, dass die schönste und glücklichste Zeit des eigenen Lebens immer noch kommen kann, selbst wenn bisher schon sehr gute Zeiten dabei gewesen und vergangen sind.

Ich möchte dazu anregen, diesen kleinen Monolog im Freundes- oder Familienkreis zu halten, denn das gibt den anderen etwas Zeit zum Nachdenken. Und danach die offensichtliche Frage zu stellen: „Wann war denn eure schönste Zeit des Lebens?“


10 Antworten

  1. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit meinem Vater – er ist 2003 verstorben. Jahrgang 1922, fünf Jahre Soldat im Zweiten Weltkrieg, danach fünf weitere in russischer Kriegsgefangenschaft. Ich selbst bin Jahrgang 1953. Uns trennten Generationen, Welten vielleicht – und doch teilten wir einen überraschenden Konsens: Die 1970er Jahre waren für uns beide die glücklichsten unseres Lebens. Ob es Zufall war, dass eine sozialliberale Koalition am Ruder war?

    Woran es? Diese Frage lässt mich eigentlich bis heute nicht los.

    Für meinen Vater war es jene Zeit, in der sich zum ersten Mal ein Gefühl von Sicherheit einstellte. Endlich wurde seine Arbeit fair entlohnt, und meine Eltern konnten sich ein etwas besseres Leben leisten. Für große Sprünge reichte es nicht – Urlaube oder ein eigenes Auto blieben Träume –, doch es war eine Zeit des Aufatmens.

    Für mich selbst waren es Jahre des Aufbruchs. Die Lehre war geschafft, ich lernte meine Frau kennen, beruflich ging es voran. Das Leben entfaltete sich, leichtfüßig und verheißungsvoll.

    Im kommenden Jahr feiern wir Goldene Hochzeit. Und obwohl dieser Gedanke viel Dankbarkeit birgt, mischt sich auch leise Nachdenklichkeit hinein: Was wird noch kommen?

    Damals, so schien es, ging es immer nur bergauf – langsam, stetig, voller Hoffnung. Doch seit Mitte der 2000er Jahre spürt man, wie sich etwas verschoben hat. Der Wind hat gedreht. Der Optimismus früherer Jahrzehnte ist brüchiger geworden. Eine Trendumkehr – nicht nur gefühlt, sondern tief empfunden.


    1. Danke für deinen Kommentar und den kleinen Einblick! Die Frage, weshalb dein Vater und du die 70er als die beste Zeit identifiziert habt, finde ich interessant. Wie du schreibst, waren es vielleicht unterschiedliche Gründe: Für deinen Vater kehrte zwar nach vielen Jahren Krieg endlich Ruhe ein. Vielleicht spielten auch andere Dinge rein, wie zum Beispiel dass deine Lehre erfolgreich beendet war und er dir dabei zusehen konnte, wie du dich ins Leben aufmachst, für ihn ja auch ein Stück weit eine Bestätigung. Da hätten wir dann auch eine Überschneidung zu deinen Gründen. Diese Zeit deines „Aufbruchs“ ist ganz nah an der, die in der Studie auch etwas häufiger genannt wurde. Zusätzlich denke ich, dass die 70er (und auch die 80er) generell eher eine Zeit der Hoffnung waren, trotz des Kalten Kriegs. Aber das ist mein persönliches Gefühl, ich war da noch gar nicht geboren und stelle es mir nur so vor.

      Was noch kommen wird? Tja, das wird man noch weniger beantworten können als Fragen zur Vergangenheit. Vielleicht müssen wir in der Zukunft sagen, dass die 2020er die letzten Jahre vor dem nächsten großen Krieg waren. Oder wir können eines Tages entspannt auf die Zeit zurückschauen stellen fest, dass Mitte oder Ende der 2020er endlich die Wende kam, die eine Welt am Abgrund dringend gebraucht hatte. So oder so: Die Siebziger, die nimmt euch keiner, auch nicht die 49 Ehejahre!


  2. Ich glaube, diese Frage nehme ich in mein Jahresrecap auf – mich würde interessieren, was ich so über die Jahre denke.
    Und in meinen sozialen Kreis nehme ich die Frage auch mit und bin gespannt, was da für Antworten kommen.


    1. Du meinst, über die Jahre könnte es sein, dass du unterschiedliche Antworten gibst? Das könnte tatsächlich passieren.


      1. Mich interessiert zu wissen, ob ich eher der Typ bin, der eine bestimmte Zeit immer wieder nennt oder eher wie die andere Gruppe bin, die immer eine bestimmte Differenz in die Vergangenheit benennt. Oder ein Mischmasch.


        1. Viel Spaß bei dieser kleinen Studie!


  3. Hab jetzt in der Tat auch mal drüber nachgedacht.
    Ich glaube, dass es in der Zeit war, wo ich 16 bis 19 Jahre alt war.
    Heute bin ich mehr als doppelt so alt.
    Aber diese drei Jahre waren schon sehr nice – und natürlich gibt es zwischendurch auch schöne Phasen.
    Dennoch würde ich vermutlich immer wieder diese Antwort geben…. glaube ich… eventuell… who knows ^^


    1. Sieh an! Diese „Coming of age“-Zeit war eine der beiden, bei denen es ganz geringe Häufungen gab. Ich hatte die bei meiner Überlegung auch identifiziert, und das ist auch naheliegend, weil man in der Zeit vieles hat: Energie, Zeit, wenige Verpflichtungen. War schon ne schöne Zeit :-)


    2. Mehrere schönste Zeiten:
      – die Zeit im Internat
      – die Zeit des Verliebt Seins in den späteren Vater meiner Söhne
      – Aufenthalte in Restaurants und Hotels
      – Ehrungen bei Tupperware
      – Zusammensein mit mich liebenden Menschen (genieße ich immer noch)


      1. Das ist auch eine tolle Herangehensweise: Glücksinseln finden, die früher und auch heutzutage immer wieder für schöne Zeiten sorgen.


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