Wie die Schmeißfliegen

Die Gravis-Filiale in Bonn ist seit vielen Jahren mein liebster Elektronikmarkt. 2015 wurde die Kette Apple-zertifizierter „Premium Service Provider“ und konnte offiziellen Support anbieten. Ich kaufte mehrere Geräte dort, informierte mich und machte auch ein paar Mal Gebrauch der Garantiemöglichkeiten bei Hardwareproblemen. Bald schließt Gravis wegen anhaltender Unprofitabilität und das finde ich sehr schade.

Gestern begann in der Bonner Filiale der Ausverkauf der letzten Waren. Innerhalb weniger Stunden war so gut wie alles ratzekahl leergekauft, ebenso leer waren die Gesichter derer, die zu spät gekommen waren. Dem gegenüber waren so viele Angestellte im Laden wie noch nie, und natürlich auch mehr Kunden, als ich jemals erlebt habe. „Ganz schön voll hier“, kommentierte ich mit einem Blick in die Runde, und ein Angestellter sagte nüchtern, dass sie heute so viel Arbeit hätten wie lange nicht.

Das Problem, das Gravis hat, dürfte kein Einzelfall bleiben: Sie verkaufen vornehmlich Apple-Produkte, könnten also so etwas wie eine Apple Store-Dependance sein. In vielen Städten nehmen sie bestimmt auch diese Rolle ein, zum Beispiel in Bonn, weil es hier keinen offiziellen Apple-Laden gibt. Da ist aber ein entscheidender Unterschied: Offiziellen Apple-Läden ist es schnurzpiepegal, ob sie ihre Waren vor Ort verkaufen oder online, denn sie verdienen so oder so an dem Produkt. Es ist völlig in Ordnung, wenn Kunden nur mal gucken kommen und beim Verlassen des Geschäfts auf der Apple-Seite das Produkt online bestellen. Anders bei Zwischenhändlern wie Gravis: Dort muss der Verkauf im Laden stattfinden, denn es gibt keinen besonderen Anreiz, im Online-Store einzukaufen – wenn ich eh online einkaufe, dann kann ich auch gleich den Apple-Laden besuchen (oder Amazon, wo es auch mal bessere Angebote gibt).

Und obwohl Gravis zwar ganz hübsche Ladengeschäfte hat, sieht man ihnen das Alter deutlich an, genauso wie das fehlende finanzielle Polster, das ein Unternehmen wie Apple hat. Dass Gravis vor einer Weile die Bezahlung mit Bargeld abgeschafft hat, scheint im Nachhinein wie ein Griff nach letzten Strohhalmen, um Kosten zu sparen.

Wir wurden gestern sehr schnell und freundlich bedient (bzw. darüber informiert, dass wir zu den Zuspätkommern gehörten), und das ist das Traurigste an der Geschichte: Nirgendwo sonst habe ich solch engagierte und kompetente Angestellte wahrgenommen wie in diesem Gravis. Egal, ob ich mit einer naiven oder blöden Frage daher kam, einem Garantieanliegen oder einer Reparatur, man nahm sich immer viel Zeit für mein Anliegen. So kam es auch zu längeren Wartezeiten, bis man dann an der Reihe war, aber da ich wusste, dass allen Kunden diese Aufmerksamkeit zuteil wurde, wartete ich gerne mal.

Mir schien auch nicht, dass die Angestellten unbedingt etwas verkaufen mussten. Mehr als einmal wurde mir von einem Produkt abgeraten, obwohl offensichtlich war, dass ich lieber zum Kauf überredet worden wäre. So auch gestern, als ich mir ein iPad anschaute und der Verkäufer abfällig meinte, das Gerät hätte viel zu alte Technik verbaut und einen viel zu hohen Preis, davon solle ich lieber die Finger lassen.

Ich wünsche den Gravis-Angestellten alles Gute und hoffe, dass sie bei Interesse bei der Konkurrenz Compustore eine längerfristige Zukunft finden (obwohl es mich nicht wundern würde, wenn dieser Kette das gleiche Ende bevorsteht). Wir verließen den Laden dennoch nicht mit leeren Händen: Eine Handyhülle für lächerliche 1,50 € war noch da gewesen.

2 Kommentare

  1. Wie die Geier.
    Die Filiale in Aachen hat wirklich lange gebraucht um sich sehen zu lassen, schon die Einrichtung war über viele Jahre hinweg sehr altbacken. Irgendwann wurde alles neugemacht und siehe da, gute Einrichtung, freundlich hell und offen. Man war gerne da. So ging es aber wohl einigen Filialen. Schade um Gravis.

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